Herr Blume, Sie kommen regelmäßig her – aus welchem Grund?
Dr. OLIVER BLUME Es ist mir wichtig, den engen Kontakt zu Michael und seinem Team zu pflegen. Auch über die reine Abstimmung der Produktneuheiten hinaus. Wir haben erkannt, dass der Designbereich weit mehr als das reine Styling unserer Sportwagen leisten kann.
Das müssen Sie erklären.
DR. OLIVER BLUME Unsere Designstrategie dient als Leitlinie, die wir weit über die Grenzen des Designbereichs hinaus im Unternehmen nutzen wollen. Das ist ein klarer Mehrwert für die langfristige Positionierung unserer Marke. Etwas vereinfacht gesagt: Die Designexperten entwickeln Markenstrategien, die wir ganzheitlich im Unternehmen als eine Art Markenkompass nutzen wollen – auch unabhängig vom konkreten Produktdesign. Ziel ist ein einheitliches Markengefühl, das über alle Kontaktpunkte mit der Porsche-Welt gleichermaßen wahrgenommen wird.
Eine große Aufgabe, Herr Mauer?
Michael Mauer Definitiv. Kontinuität und Konsistenz sind Teil unserer Markenidentität. Diese behutsam zu definieren und in die Zukunft zu tragen, ist ein ganz elementarer strategischer Auftrag. Porsche lebt davon, Dinge nicht ständig neu zu erfinden, sondern Gutes kontinuierlich weiterzuentwickeln. Eine langfristige Strategie ist extrem wichtig. Sie stellt sicher, dass wir hier konsistent und vor allem markentypisch sowie innovativ zugleich denken und unternehmensweit alle in die gleiche Richtung unterwegs sind. Ich freue mich sehr, dass wir diese Strategiekompetenz aus dem Design heraus nun auch im Schulterschluss mit vielen anderen Unternehmensbereichen weiter ausbauen.
Schauen wir uns die konkreten Prozesse an: Wie fügt sich der strategische Part in die Gestaltung der Fahrzeuge ein?
Michael Mauer Grundsätzlich haben wir für das Design – ganz unabhängig von Modellen und Derivaten – drei Begriffe definiert, die unsere Markenwerte beschreiben: Focus, Purpose und Tension. Das ist der Kern unserer strategischen Überlegungen. Daraus entwickeln wir auf Produktebene konkrete Designentwürfe. Ein Beispiel: Wenn wir über die Gestaltung des Displays hinter dem Lenkrad diskutieren, kommen diese Attribute ins Spiel. Focus bedeutet hier, dass wir uns klar auf den Fahrer fokussieren und das Display sehr zielgenau auf ihn ausrichten. Das Ergebnis sind unsere sogenannten Curved Displays.
Lassen Sie uns vom Ergebnis noch mal ganz zum Anfang gehen. Wie beginnt ein Designprozess für ein bestimmtes Modell bei Porsche?
Michael Mauer Tatsächlich ist die Skizze mit Stift und Papier – oder Tablet mit elektronischem Stift – nach wie vor der wichtigste Ausgangspunkt bei der Ideenfindung beziehungsweise der Visualisierung von Ideen. Inhaltlich hängt es davon ab, ob es ein Vorgängermodell gibt oder ob wir ein komplett neues Produkt erschaffen. Das oberste Gebot in allen Fällen lautet: Ich muss sofort erkennen, dass es ein Porsche ist.
„Diese Identität, die Designtradition, an die alles anknüpft, das ist bei Porsche sicherlich einmalig.“
Dr. Oliver Blume
Was sind dabei die wichtigsten Themen?
Michael Mauer In der frühen Phase geht es vor allem darum, optimale Proportionen für das Fahrzeug zu erreichen. Wie bei einer Immobilie die Lage entscheidend ist, so ist es im Automobildesign die Proportion. Proportion, Proportion und nochmals Proportion. Ein Sportwagen im Allgemeinen und ein Porsche im Besonderen lebt von einem dramatischen Breiten-Höhen-Verhältnis – und zwar unabhängig vom jeweiligen Segment. Dieses Breiten-Höhen-Verhältnis sorgt dafür, dass all unsere Produkte auf den ersten Blick als Porsche erkennbar sind. Die perfekte Proportion ist die Grundlage einer stimmigen und authentischen Markenidentität. Dazu kommen Details wie beispielsweise die schnell abfallende Dachlinie, die unsere Fahrzeuge zusätzlich charakterisieren. Neben der Markenzugehörigkeit haben wir auf der Ebene der Modelle ebenfalls Designelemente definiert, die beispielsweise einen 911 klar von einem Panamera unterscheiden und jedem Fahrzeug seinen eigenen Charakter, seine eigene Produktidentität geben. Auch hier orientieren wir uns stark an unserer Designphilosophie und können damit sicherstellen, dass sich diese Merkmale langfristig als Teil unserer Designidentität etablieren.
Kreativ sein, Neues schaffen, zugleich die historisch gewachsene Identität bewahren – wie bringen Sie das zusammen?
Michael Mauer Das ist eine sehr besondere und besonders spannende Aufgabe. Einen Porsche zu entwerfen, der ganz und gar mit der Historie bricht, wäre sicher kein kluger Schachzug. Im umgekehrten Extrem ist es unsere Aufgabe, die Marke optisch lebendig, innovativ und zukunftsfähig zu präsentieren. Die richtige Balance zwischen Innovation und Tradition zu finden. Ich denke, dass hier insbesondere die Zusammensetzung des Teams eine entscheidende Rolle spielt: Arbeiten wir beispielsweise am Nachfolger des aktuellen 911, so kombinieren wir bewusst sehr erfahrene Designer mit den „Jungen Wilden“. Der Austausch ist extrem spannend und schafft Ansätze, die eben diese Balance Realität werden lassen.
Meisterhaftes Formenspiel mit Kontinuität: der Porsche 911
Sie haben die Designkultur von Porsche über zwei Jahrzehnte geprägt. Was hat sich verändert – und was ist geblieben?
Michael Mauer Die Arbeit der Designer hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten rasant verändert. Inhaltliche Themen wie die digitalen Anwendungen haben entscheidend an Bedeutung gewonnen. Sie sind Herausforderung und Chance. Zum einen haben wir erkannt, dass das Themenfeld der User Experience – oder Driver Experience, wie wir es nennen – für die Marke zunehmend an Bedeutung gewinnt. Zum anderen bieten uns digitale Anwendungen im Design die Möglichkeit, unsere Ideen sehr schnell zu visualisieren. Dennoch bin ich nach wie vor überzeugt, dass die vermeintlich altmodischen physischen Clay-Modelle entscheidend zu unserer Designqualität beitragen. Fortschritte in der Technologie haben aber sicher den größten Einfluss. Die Elektromobilität ist ein sehr gutes Beispiel. Der Wegfall des massiven Motorblocks ermöglicht es uns, die Fronthaube unserer Sportwagen noch prägnanter zu gestalten – zugleich muss die weiterhin massive Batterie Platz finden. Dasselbe gilt für Fertigungsverfahren: Wir sind heute in der Lage, Formen zu fertigen, die in der Vergangenheit im Serienproduktionsprozess nicht realisierbar waren.
„Die perfekte Proportion ist die Grundlage einer stimmigen und authentischen Markenidentität.“
Michael Mauer
Und wie bewerten Sie die Zukunft des Designs?
Michael Mauer Die Bedeutung von Design wird in der Zukunft weiter zunehmen – und das nicht nur auf der Produktebene. Mit unserer Designphilosophie haben wir die perfekte Basis geschaffen. Einen Kompass, der dem gesamten Unternehmen auf dem Weg zu einem konsistenten und emotionalen Kundenerlebnis eine klare Orientierung gibt.
Dr. Oliver Blume Damit können wir die Zukunftsfähigkeit unserer Marke langfristig und nachhaltig stärken. Und eines wird auf jeden Fall bleiben: Wenn man einen Porsche irgendwo auf der Welt sieht, dreht man sich instinktiv um. Dieser Porsche-Moment ist eine große Anerkennung. Gerade weil wir diese enorme Konsistenz über die Jahrzehnte hinweg haben. Diese Identität, die Designtradition, an die alles anknüpft, das ist bei Porsche sicherlich einmalig – und für viele unserer Kundinnen und Kunden ein wichtiger Kaufgrund.
911 Turbo 50 Jahre (WLTP): Kraftstoffverbrauch kombiniert: 12,5 – 12,3 l/100 km; CO₂-Emissionen kombiniert: 283 – 278 g/km; CO₂-Klasse: G
Taycan Turbo GT mit Weissach-Paket (WLTP): Stromverbrauch kombiniert: 21,3 – 20,6 kWh/100 km; CO₂-Emissionen kombiniert: 0 g/km; CO₂-Klasse: A