Massgeschneiderte Entwicklung in China

Der chinesische Automobilmarkt stellt besondere Anforderungen an die Technik der Fahrzeuge. Darum baut Porsche Engineering seine Präsenz vor Ort kontinuierlich aus: Rund 130 Mitarbeiter entwickeln, testen und validieren China-spezifische Funktionen für das intelligente und vernetzte Fahrzeug. 

Autofahren in China ist anders, was schon ein Blick auf die Skylines zeigt. Durch die Metropolen schlängeln sich mehrstöckige Hochstrassen, die es so in Europa nicht gibt. Sie stellen besondere Ansprüche an die Navigationsgeräte. Denn die Technik muss erkennen, auf welcher der bis zu drei Ebenen das Fahrzeug unterwegs ist. Auf Stoppschildern fehlt in China mitunter das Wort „STOP“, was Bilderkennungsalgorithmen erst lernen müssen. Zudem nutzen viele Fahrer unterwegs die in Europa kaum bekannten digitalen Services von Technologiegiganten wie Baidu, Alibaba und Tencent.

Karina Steinmetz, Leiterin des Entwicklungssatelliten der Porsche AG, 2022, Porsche AG

Die Beispiele zeigen, dass Fahrzeuge an die Besonderheiten des chinesischen Marktes angepasst beziehungsweise speziell für diese entwickelt werden müssen. Deshalb ist Porsche Engineering bereits seit mehr als 30 Jahren für chinesische Kunden tätig – und baut seine Präsenz vor Ort weiter aus. Allein in diesem Jahr soll die Zahl der Mitarbeiter im Entwicklungszentrum Anting in Shanghai von rund 130 auf 160 steigen. Hauptaufgabe der Experten vor Ort ist es, China-spezifische Funktionen zu entwickeln, zu testen und zu validieren.

Da die Ansprüche der Sportwagenkunden in China hoch und spezifisch sind, hat sich die Porsche AG entschieden, dort eine eigene Entwicklungseinheit aufzubauen, den sogenannten R&D Satelliten. Er wird eng mit Porsche Engineering als Partner vor Ort zusammenarbeiten. Das Team des Entwicklungssatelliten stammt überwiegend aus dem Bereich Elektrik/ Elektronik. „Wir achten darauf, dass die Technik optimal an den chinesischen Markt angepasst ist“, sagt Karina Steinmetz, Leiterin des Entwicklungssatelliten. Ladesäulen zum Beispiel verfügten dort über andere Stecker und Protokolle als europäische. Solche Eigenheiten gelte es zu berücksichtigen. „Ausserdem erarbeiten wir eine lokale Teststrategie zu allen technischen Themen“, erklärt Steinmetz.

Beobachter und Tech-Scouts

Neben der technischen Absicherung übernehmen die Experten des Entwicklungssatelliten eine Rolle als Beobachter und Tech-Scouts. „Wir behalten die marktspezifischen technologischen Regularien und Standards im Blick“, gibt Leiterin Steinmetz als Beispiel. Ausserdem verfolge man wichtige technische Entwicklungen in China, etwa in Bezug auf autonomes Fahren und Parken oder die Hochvolt-Technik. Bei seiner Arbeit soll das Team des Entwicklungssatelliten stark auf das Netzwerk vor Ort zurückgreifen. „Porsche Engineering ist für uns dabei ein wichtiger strategischer Partner“, betont Steinmetz.

„Das intelligente und vernetzte Fahrzeug steht im Mittelpunkt der Entwicklungen von Porsche Engineering in China.“ Uwe Pichler-Necek, Geschäftsführer von Porsche Engineering China

„Das intelligente und vernetzte Fahrzeug steht im Mittelpunkt der Entwicklungen von Porsche Engineering in China, da diese Leistungen vor Ort besonders gefragt sind,“ sagt Uwe Pichler-Necek, der zum Juli die Geschäftsführung von Porsche Engineering China übernommen hat. Das liegt unter anderem an der Kundschaft, die jünger und technikinteressierter als in Europa ist. Wer in China ins Porsche-Zentrum kommt, ist im Schnitt erst 35 Jahre alt – und in jedem zweiten Fall eine Frau.

„Viele Kunden gehören zur Generation Z, die mit der Digitalisierung und ständiger Vernetzung aufgewachsen ist“, sagt Kurt Schwaiger, der sechs Jahre lang als Geschäftsführer die Entwicklung von Porsche Engineering China erfolgreich vorangetrieben hat und nun in den Ruhestand geht. „Die Kunden erwarten eine nahtlose Integration des Smartphones in die Fahrzeugumgebung.“ Deshalb ist geplant, China-spezifische Services auch für unterwegs nutzbar zu machen, zum Beispiel die App WeChat, das chinesische Pendent zu WhatsApp. Um sie ins Fahrzeug zu bringen, haben Porsche und Audi ein auf dem Handy-Betriebssystem Android basierendes Hardware-Modul entwickelt, das im Fahrzeug eingebaut wird. Mit seiner Hilfe könnte sich der Fahrer in Zukunft zum Beispiel eingehende Nachrichten vorlesen lassen.

Zudem sind künftig mehr lokale Unterhaltungsangebote im Fahrzeug verfügbar. „In der kommenden Fahrzeuggeneration können chinesische Kunden sowohl einen lokalen Musik-Streamingdienst als auch eine populäre Podcast-Plattform nutzen, zusätzlich zu Apple Music“, sagt Qi Cao, zuständig für die Entwicklung des Infotainmentsystems. Anders als in Europa, wo die meisten Kunden ihr Fahrzeug am liebsten über Tasten oder Touchscreens bedienen, wird in China auch gerne per Sprachsteuerung kommuniziert. Ausserdem erwarten die Kunden ein sogenanntes Single Log-in. „Wer ins Fahrzeug steigt, will sofort alle Dienste nutzen, ohne nochmals Passwörter eingeben zu müssen“, erklärt Yasumasa Ibuki, für Test und Validierung des Infotainmentsystems verantwortlich.

Naikai Du, Senior Manager Electric & Electronics bei Porsche Engineering China, 2022, Porsche AG

Intensive Tests vor Ort

Das Infotainmentpaket für den chinesischen Markt testet Porsche Engineering derzeit intensiv vor Ort. Versuchsfahrzeuge haben dafür schon Tausende von Teststunden absolviert. Daneben nutzen die Experten Hardware-in-the-Loop (HiL)-Systeme, in denen das Infotainmentpaket mit einer Nachbildung der realen Fahrzeugumgebung verbunden wird, etwa mit dem Kombiinstrument und den Bedienelementen. „So kann die Erprobung schon starten, bevor das reale Fahrzeug zur Verfügung steht“, erklärt Naikai Du, Senior Manager Electric & Electronics bei Porsche Engineering ChinaDaneben sparen Tests auf Prüfständen Kosten und ermöglichen es, real schwer durchführbare Situationen zu erproben. Ein Beispiel wäre das Senden des automatischen Notrufs, nachdem der Airbag ausgelöst wurde.

Auch der chinesische Verkehr verlangt Anpassungen. „Der Fahrstil in China unterscheidet sich stark von dem in Europa“, erklärt Uwe Pichler-Necek. Häufige Spurwechsel, das Nutzen jeder Lücke und nicht immer regelkonforme Überholmanöver sind keine Seltenheit in China. Das gilt es zum Beispiel bei der Kalibrierung des Abstandstempomaten (Adaptive Cruise Control, ACC) zu berücksichtigen. „Ein Einscheren muss früher erkannt werden“, sagt Pichler-Necek. „Ausserdem darf die zeitliche Lücke zum vorausfahrenden Fahrzeug nicht zu gross werden. Sonst scheren so viele Verkehrsteilnehmer ein, dass kaum noch ein Fortkommen möglich ist.“

Chinaspezifische Anpassungen

Um in Zukunft hochautomatisiertes Fahren zu ermöglichen, müssen die Systeme auch an die in China typischen Hochstrassen angepasst werden, schliesslich gilt auf jeder Ebene eine andere Geschwindigkeitsbeschränkung. Um herauszufinden, auf welcher Ebene sich das Fahrzeug befindet, kann zum Beispiel die Neigung einer Auffahrrampe detektiert werden. Automatische Einparkfunktionen, die sich ebenfalls in der Entwicklung befinden, benötigen auch eine China-Version, unter anderem, weil in vielen Parkhäusern farbige Schwellen die Stellplätze begrenzen. Algorithmen, die Kamerabilder auswerten, müssen anhand von Beispielbildern diese Besonderheit kennenlernen. Denn einen in Europa trainierten Algorithmus könnten die Schwellen zum vorzeitigen Abbremsen bringen.

Hochstrassen in China, 2022, Porsche AG
Mehrstöckig: Die Hochstrassen in China haben bis zu drei Ebenen. Die Technik muss zuverlässig erkennen, wo sich das Fahrzeug gerade befindet.

Assistenzsysteme vor Ort zu entwickeln, stellt seit Kurzem allerdings eine Herausforderung dar. Denn im November 2021 ist in China ein neues Gesetz in Kraft getreten, das den Export von bestimmten im Fahrzeug erfassten Daten einschränkt (Personal Information Protection Law). Kommerziell genutzte Fotos oder Videos zum Beispiel, auf denen Kennzeichen, persönliche Informationen oder Personen zu erkennen sind, dürfen das Land nicht verlassen. Folge für westliche Hersteller: Bei jeder Erprobungsfahrt muss ein autorisierter chinesischer Dienstleister an Bord sein, der alle Datenträger in Empfang nimmt und die gesammelten Informationen „desensibilisiert“, also zum Beispiel alle Kennzeichen durch ein Einheitskennzeichen ersetzt. Diese Bilddaten weichen dann allerdings von den im Fahrzeug verfügbaren Rohdaten ab, was das Anlernen von KI-Algorithmen erschwert.

Geosensible Bus-Daten aus dem Fahrzeug und GPS-Informationen dürfen das Land ebenfalls nicht verlassen. „Die Schlussfolgerung ist, kamerabasierte Funktionen künftig verstärkt in China zu entwickeln und abzusichern“, sagt Johannes Wiebelitz, Entwicklungsingenieur für Fahrerassistenzsysteme bei Porsche Engineering. Das gelte insbesondere für autonome Fahrfunktionen, bei denen Kameradaten essenziell sind.

Estha Li, Senior Manager Data and Connected Services bei Porsche Engineering China, 2022, Porsche AG

Eigene Entwicklungsphilosophie

Die Entwicklung des intelligenten und vernetzten Fahrzeugs wird in China mit einer eigenen Entwicklungsphilosophie vorangetrieben: „In Europa erwartet man, dass ein Fahrzeug seine Aufgaben auch ohne eine Datenverbindung erfüllen kann. In Asien bindet man sie bei der Funktionsentwicklung von Anfang an mit ein“, sagt Entwicklungsingenieur Wiebelitz. Ein Beispiel: Einige Ampeln in China senden ihren Status drahtlos aus, sodass der Fahrer auf dem Armaturenbrett oder in einer App ablesen kann, bei welcher Geschwindigkeit er grüne Welle hat. Automatische Fahrfunktionen sollen diese Daten von Anfang an nutzen (Vehicle-to- Infrastructure-Kommunikation, V2I). Zudem ist China bei der Vernetzung der Verkehrsteilnehmer untereinander (Vehicle-to-Vehicle, V2V) führend. Unfallfahrzeuge beispielsweise senden schon ein Signal aus, das herannahende Autos warnt.

Für die Vernetzung der Fahrzeuge möchte China nicht auf neue Technologien warten. Man setzt auf die vorhandenen Mobilfunknetze, während Europa den Standard WLAN nutzen will. „Die nächste Generation von Fahrzeugen in China wird über 4G beziehungsweise 5G mit dem Internet verbunden sein“, sagt Estha Li, Senior Manager Data and Connected Services von Porsche Engineering China.

Dafür entwickeln die Experten vor Ort den zentralen Knoten für Telekommunikation im Fahrzeug weiter. Über ihn sollen künftig auch Ferndiagnosen und Software-Aktualisierungen möglich sein. Dabei muss europäische Technik stets lokalisiert werden. „In China nutzt der Mobilfunk andere Frequenzen und Schnittstellen“, erklärt Thomas Pretsch, Leiter Fachdisziplin Connectivity bei Porsche Engineering. Ein interessantes Detail: Um die Reaktion von Testfahrzeugen auf ein Funkloch zu überprüfen, müssen es die Ingenieure vor Ort künstlich erzeugen – weil die Netzabdeckung in China so gut ist.

Chinesischer Verkehr, 2022, Porsche AG
Trendsetter: Künftig könnte neue Technik zuerst in China entwickelt und danach global ausgerollt werden.

Eine weitere China-spezifische Funktion ist das Real Time Monitoring (RTM): Elektro- und Hybrid-Neuwagen müssen dynamische fahrzeugbezogene Daten, insbesondere den Akkustand, an die öffentliche Verwaltung übertragen; so erhofft man sich mehr Erkenntnisse über die E-Mobilität, etwa über Lücken in der Ladeinfrastruktur. Für ausländische Hersteller besteht keine Einbaupflicht, allerdings fragen viele Kunden aufgrund von regionalen und nationalen Anreizprogrammen nach der Funktion. Porsche Engineering entwickelt RTM im Auftrag der Porsche AG und pflegt einen engen Kontakt mit den Behörden, damit immer die neuesten gesetzlichen Vorgaben in der Entwicklung implementiert werden können.

Noch liegt der Schwerpunkt von Porsche Engineering in China auf der Lokalisierung. Doch das könnte nur ein Anfang sein. „Es ist denkbar, dass neue Technik in Zukunft zuerst in China entwickelt und danach global ausgerollt wird“, sagt Fachdisziplinleiter Pretsch. Umso wichtiger ist es darum, mit einem starken Team direkt vor Ort zu sein. 

Interview mit Prof. Hong Chen

Prof. Hong Chen ist Dekanin am College of Electronic and Information Engineering und Inhaberin des Porsche-Lehrstuhls an der Tongji- Universität Shanghai. Im Interview spricht sie über die Besonderheiten des Verkehrs in China.

Wie wichtig sind hochautomatisiertes Fahren (HAF) und Fahrerassistenzsysteme (FAS) in China?

Hong Chen: Der Verkehr in China ist weitaus spezieller und komplexer als etwa in Europa und stellt eine grössere Herausforderung dar – nicht nur aufgrund der Bevölkerungszahl und -dichte Chinas, sondern auch aufgrund der unterschiedlichen Kultur. Statistiken zufolge verbringen Menschen in Peking und Shanghai über zwei Stunden mit der täglichen Fahrt zur Arbeit. Zu den Hauptverkehrszeiten müssen Fahrer zur eigenen Sicherheit hochkonzentriert sein und die Last des Fahrens tragen. Autofahrer in China sind das Fahren in Staus leid und deshalb zur eigenen Entlastung offen für Alternativen wie HAF und FAS. Um diesen Ansprüchen gerecht zu werden, investieren OEMs in China fortwährend in die Forschung und Entwicklung von hochautomatisiertem Fahren und Fahrerassistenzsystemen. Da die chinesische Regierung diese Technologien als effektive Lösung für Verkehrsstaus und Sicherheitsprobleme betrachtet, unterstützt sie deren Entwicklung kontinuierlich durch Verordnungen, Investitionen und Infrastrukturausbau.

Was ist in Bezug auf lokale Infrastruktur, lokale Topologie und gesetzliche Vorgaben zu beachten?

Hong Chen: Meiner Meinung nach ist für hochautomatisiertes Fahren in erster Linie die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben von Bedeutung. Wenn hochautomatisierte Fahrzeuge in einen Unfall verwickelt werden, bleibt die Frage der rechtlichen Verantwortung ein zentrales Thema. Um die geteilte Verantwortung für das Führen des Fahrzeugs zwischen Fahrer und hochautomatisierten Systemen zu regeln, könnten Zustimmungsvereinbarungen mit Versicherungsunternehmen Anwendung finden. Dies stellt womöglich das wichtigste Anliegen von Kunden sowie Automobilherstellern dar. Im Hinblick auf die lokale Infrastruktur und Topologie liesse sich die Realisierung von hochautomatisiertem Fahren durch die Verwirklichung der „Vehicle-Road- Collaboration“ und Vehicle-2- X-Kommunikation beschleunigen. China hat in diesem Bereich einen erheblichen Vorsprung und hat in den letzten Jahren rasante Fortschritte erzielt.

Was denken chinesische OEMs über hochautomatisiertes Fahren?

Hong Chen: Nach unserem Kenntnisstand empfindet ein Grossteil der chinesischen OEMs hochautomatisiertes Fahren als Chance. Sie sind der Ansicht, dass Intelligenz und Automatisierung eine neue Ära in der Fahrzeugentwicklung eingeleitet haben. Hochautomatisiertes Fahren ist nur eine Frage der Zeit. Die Realisierung wird jedoch nicht plötzlich, sondern kontinuierlich vonstattengehen. Wie im SAE-Standard „Levels of Driving Automation“ beschrieben, wird dies voraussichtlich ein langer und sukzessiver Prozess sein.

Prof. Hong Chen, Dekanin am College of Electronic and Information Engineering und Inhaberin des Porsche­Lehrstuhls an der Tongji­ Universität Shanghai, 2022, Porsche AG
Prof. Hong Chen

Welche Technologieanbieter in China beteiligen sich an der Entwicklung?

Hong Chen: Derzeit sind viele Unternehmen an der Entwicklung von HAF und FAS in China beteiligt. OEMs wie FAW, Dongfeng, SAIC und Geely konzentrieren sich sowohl auf die Entwicklung von FAS in der Produktion als auch auf HAF für Häfen und Bergwerke. Letzteres zieht auch einige Hightech-Unternehmen wie Baidu, Didi und Huawei stark an, die ihre eigenen HAF-Projekte gestartet haben. Darüber hinaus wirkt eine Reihe von Start-ups wie Horizon Robotics, BlackSesame, RoboSense, Hesai und Xingshen aktiv an der Entwicklung des hochautomatisierten Fahrens mit. Schliesslich unternehmen auch einige bekannte internationale Automobilzulieferer wie Bosch, Continental und ZF erheblichen Aufwand bei der Entwicklung von HAF in China.

Woran arbeiten Sie persönlich und die Tongji-Universität?

Hong Chen: Tongji ist eine der renommiertesten Universitäten im Bereich HAF. Zudem verfügt sie über die erste voll funktionsfähige Teststrecke für hochautomatisiertes Fahren in China. Die Forschung in diesem Bereich erstreckt sich über sämtliche Anforderungen für HAF – von der Vehicle-Road- Collaboration über die Vehicle-2-X-Kommunikation bis hin zum autonomen Fahrzeug selbst. Die Tongji-Universität kann insbesondere umfassendes Know-how in den Bereichen Markt- und Richtlinien-Analyse, Algorithmus-Design, Prüfverfahren und Evaluierung vorweisen. Als Porsche-Lehrstuhlinhaberin konzentriert sich meine Forschung auf die Entwicklung der Schlüsseltechnologien unter Einsatz fortschrittlicher Steuerungs- und lernbasierter Methoden für hochautomatisiertes Fahren. Wir arbeiten vor allem an der kooperativen Fahrgestellsteuerung für autonome Fahrzeuge, der prädiktiven Geschwindigkeitsregelung, der Entwicklung von „Robotaxis“ nach Level 4 und der intelligenten Analyse von hochautomatisiertem Fahren und vielem mehr. Zur Überprüfung und Validierung der entwickelten Algorithmen konzipieren wir zudem Testumgebungen auf unterschiedlichen Ebenen, wie Software-in-the-Loop, Hardware-in-the-Loop und Vehicle-in-the-Loop.

Wann wird Level 4/5 Realität werden?

Hong Chen: Das ist schwer zu sagen. Obwohl sowohl die Wissenschaft als auch die Industrie erhebliche Ressourcen in diesen Bereich investieren, bleibt die kurzfristige Realisierung von Level 4/5 eine Herausforderung. Dennoch lässt sich Level 3, wie im SAE-Standard „Levels of Driving Automation“ beschrieben, für bestimmte Szenarien bereits in naher Zukunft erreichen, zum Beispiel im öffentlichen Strassenverkehr. Analog liesse sich Level 4/5 zuerst in begrenzten Bereichen, wie etwa in Häfen und Bergwerken, und anschliessend in offeneren Verkehrsszenarien realisieren. Die gute Nachricht ist, dass Level 4 („Robotaxi“) in China bereits in verschiedenen Testumgebungen auf offener Strasse erprobt wurde, was zweifellos ein besseres Umfeld für die Forschung und Entwicklung von Level-5-Technologien schafft. Level 5 des hochautomatisierten Fahrens, das unter jeglichen Bedingungen funktionsfähig sein muss, wird allerdings noch einige Zeit benötigen.

Zusammengefasst

Wegen der gesetzlichen und infrastrukturellen Besonderheiten sowie der spezifischen Kundenerwartungen müssen Entwicklungen für China weitgehend vor Ort durchgeführt werden. Porsche Engineering ist darum seit mehr als 30 Jahren in China präsent und baut seine Präsenz weiter aus. Sowohl Fahrzeugsysteme als auch Entwicklungsmethoden sind an die Besonderheiten des Landes angepasst. 

Info

Text erstmals erschienen im Porsche Engineering Magazin, Ausgabe 2/2022.

Autor: Constantin Gillies 

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