Dream on …

Die Erfüllung eines Traums – ist das Fluch oder Segen? Bleibt Erfüllung oder Leere? Was kann dann noch kommen? 400-Meter-Staffelläuferin Alica Schmidt gibt im vierten und letzten Teil ihrer Kolumne Antworten.

   

„Wenn man immer nur das Gleiche macht, kommt am Ende nur das Gleiche dabei heraus.“

Alica Schmidt

Ich war vorgewarnt: Viele Athletinnen und Athleten hatten mir vor Paris erzählt, wie schwer es ihnen in den Monaten nach einer Olympiateilnahme gefallen war, sich neu zu motivieren. Worauf soll man auch hinarbeiten, wenn sich der große Traum bereits erfüllt hat? Wofür brennen, wenn das olympische Feuer schon lange wieder erloschen ist?

Bis heute – gut vier Monate später – weiß ich nicht genau, wie ich das berühmte Loch umgehen konnte, das so viele von uns verschluckt, wenn sie ein wichtiges Ziel erreicht haben. Vielleicht lag es daran, dass ich nur eine Woche nach meiner Rückkehr aus Paris schon wieder an einem Wettkampf teilgenommen habe? Oder weil ich wusste, dass mit den Spielen in Los Angeles 2028 bereits ein neuer Traum auf mich wartet? Ein Grund ist aber ganz sicher, dass ich einfach nach wie vor unheimlich Spaß an dem habe, was ich tue – und mich im Wortsinn nicht verrenne.

Natürlich beschäftige ich mich mit der Frage, was einmal nach dem Leistungssport kommt. Aber Aufhören ist im Moment einfach keine Option. Ich spüre, dass noch mehr in mir steckt, dass ich noch viel erreichen kann. In Paris habe ich so intensiv wie nie zuvor erlebt, wie viel der Sport einem gibt: all die Erfahrungen, die man sammelt; die Leute, die man kennenlernt; die Werte, die man mit ihnen teilt … Zu sehen, dass es überall auf der Welt Menschen gibt, die ihren Traum vom Leistungssport leben, die auf diesen Moment hingearbeitet und es letztlich nach Paris geschafft haben – das war unglaublich inspirierend.

Um all das zu verarbeiten, habe ich mir im September eine kleine Auszeit gegönnt, habe alles erst einmal Revue passieren lassen. Gemeinsam mit meinem Trainer habe ich das letzte Jahr ausgewertet und schmiede gerade Pläne, wie es im neuen Jahr weitergeht. Der Wettkampf, an dem ich in der Woche nach Paris teilgenommen habe, war ein 800-Meter-Lauf – das war spannend. Ich will offen bleiben, mich nicht einschränken. Es ist wichtig, sich treu zu bleiben, aber genauso entscheidend ist es, Veränderung zuzulassen, sich regelmäßig neu aufzustellen. Wenn man immer nur das Gleiche macht, kommt am Ende eben auch nur das Gleiche dabei heraus.

Alica Schmidt
Alica Schmidt