Herzklopfen
Der Verein Kinderherzen retten e. V. ermöglicht Zukunft. Spezialisten in Freiburg im Breisgau operieren Kinder mit angeborenem Herzfehler aus schwächer entwickelten Ländern. Porsche unterstützt mit der Aktion Racing for Charity.
Nie wird Yamileth Marelin Magaña de Peraza den Moment vergessen, in dem ihr Sohn Abdiel tatsächlich auf eigenen Beinen stand. Die ersten anderthalb Jahre seines Lebens war der Junge schwach und kränklich. Er verbrachte seine Tage auf dem Arm der Mutter oder im Kinderwagen sitzend. Meistens lag er. Jetzt also seine ersten Schritte. „Das war so erfüllend!“, erinnert sich seine Mutter noch immer staunend. Nur zwei Wochen zuvor war das Kind aus Santa Ana in El Salvador in der Uniklinik Freiburg am Herzen operiert worden. Dabei wurde ein sogenannter Vorhofseptumdefekt verschlossen, ein Loch zwischen den Vorhöfen des Herzens. Damit begann ein neues Leben – für den kleinen Patienten und für seine Familie.
Abdiel ist eines von mittlerweile 280 Kindern, denen der Verein Kinderherzen retten e. V. im südwestdeutschen Freiburg im Breisgau eine Herzoperation ermöglicht hat.
Professor Dr. Friedhelm Beyersdorf gründete den Verein 2002. Acht Jahre zuvor war er als damals jüngster Ordinarius ans Universitätsklinikum Freiburg gekommen. Seine Mission: die Herzchirurgie der Einrichtung weiterentwickeln und um eine Spezialstation für die Kleinsten erweitern, auch wenn er selbst keine Kinderherzoperationen durchführt. „Das war ein hochkomplexes Projekt“, sagt er mit Blick auf den jahrelangen Aufbau der Kinderherzchirurgie. Denn der Aufwand bei der Operation von Kinderherzen sei ungleich höher, als etwa einem Erwachsenen einen Bypass zu legen. Die Patienten sind viel fragiler. „Und oft haben Kinder mit angeborenem Herzfehler noch weitere gesundheitliche Probleme.“
Beyersdorf, mittlerweile 69 Jahre alt, ist weiterhin als Forschungsprofessor aktiv und engagiert sich nach wie vor für den von ihm gegründeten Verein. Sich überhaupt an Kinderherzchirurgie heranwagen zu können, sagt er, sei ein Privileg und in vielen Teilen der Welt unmöglich. Es fehle an funktionierenden Gesundheitssystemen, Infrastruktur, Technik und Personal. „Anderswo sterben Kinder an Krankheiten, die wir mit unseren hochentwickelten Möglichkeiten in Deutschland relativ einfach behandeln können. Uns geht es so gut. Ich bin felsenfest überzeugt, dass jeder von uns etwas geben kann und muss.“ Der Bedarf ist riesig. Rund ein Prozent aller Säuglinge kommt mit einem Herzfehler auf die Welt.
Kinderherzen retten e. V. finanziert sich ausschließlich über Spenden, und das hat durchaus etwas Sinnstiftendes für die Region im Schwarzwald. Zahlreiche Handwerksbetriebe, mittelständische und große Unternehmen engagieren sich. Ein Bäcker verkauft regelmäßig Krapfen für den guten Zweck. Der Europa-Park in Rust – einer der 20 meistbesuchten Freizeitparks der Welt – hat die Schirmherrschaft übernommen. „Bei uns sehen die Menschen ganz genau, wo ihre Spenden landen, wie wir sie nutzen und welche Wirkung sie entfalten“, erklärt Professor Dr. Beyersdorf. „Wir sind keine anonymen Empfänger.“ Und auch jeder kleine Beitrag helfe.
„Es geht um Erfolgsaus-
Professor Dr. Friedhelm Beyersdorf
sichten. Ziel ist, die Kinder gesund zu entlassen.“
Seit 2023 ist auch Porsche ein wichtiger Unterstützer. Im Rahmen der Feierlichkeiten zu 75 Jahre Porsche Sportwagen und der 100. Austragung des 24-Stunden-Rennens von Le Mans wurde das Projekt Racing for Charity geboren. Der Sportwagenhersteller trat in der Prototypenklasse mit drei Porsche 963 an. Für jede gefahrene Runde der Hypercars spendete das Unternehmen 750 Euro. Am Ende wurde die Summe auf 911.000 Euro aufgestockt und an drei gemeinnützige Organisationen verteilt. 350.000 Euro gingen an Kinderherzen retten. 2024 bleibt Porsche auch ohne Jubiläum an Bord und schickt die drei 963 in Le Mans erneut auf Spendenjagd.
Was die Operationen für die Kinder bedeuten, zeigt das Beispiel von Abdiel. „Wir sind immer noch erstaunt, wie sehr sich sein Leben verbessert hat“, sagt seine Mutter. Der schwache Abdiel habe vor der OP kaum gegessen und unter Anämie gelitten. „Nach dem Eingriff habe ich innerhalb von Stunden unglaubliche Veränderungen gesehen: Vorher atmete er flach und schnell und hatte einen hohen Puls. Aber schon kurz nach der OP war seine Atmung ganz normal.“
Für solche Erfolge stemmt der Verein enorme Herausforderungen. Eine besteht in der Auswahl geeigneter Patientinnen und Patienten. „Dabei geht es um Machbarkeit und Erfolgsaussichten“, erklärt Professor Dr. Beyersdorf. „Ziel ist, die Kinder gesund zu entlassen, ohne dass in der Heimat eine ergänzende Therapie nötig ist.“ Herztransplantationen etwa scheiden deshalb aus. Im Auswahlprozess muss sich das Freiburger Team auch auf die Diagnosen von Kollegen in fernen Ländern verlassen. Für die Vermittlung geeigneter Fälle ist über die Jahre ein internationales Netzwerk aus Kinderärzten und Kardiologen gewachsen. Schwerpunkte liegen in Lateinamerika, Südostasien und Afghanistan.
In Deutschland müssen Gastfamilien gefunden werden. Es gilt, Visa, Flüge und Fahrer zu organisieren. Es braucht medizinisches Personal. OP-Team, Kinderkardiologie, Kinderherzanästhesie, gezielte Kardiotechnik im speziell ausgerüsteten Operationssaal sowie eine entsprechende Intensivstation samt Pflegepersonal. Plus Physiotherapie und Nachsorge. „In Freiburg haben wir das Glück, in dem Kinderherzchirurgen Professor Dr. Johannes Kroll und der Kinderkardiologin Professor Dr. Brigitte Stiller über ein höchstqualifiziertes Team zu verfügen“, sagt Beyersdorf. Angesichts dieses Aufwands erscheint die fünfstellige Summe, die der Verein pro Kind aufzubringen hat, beinahe gering. Unendlich groß hingegen ist für Beyersdorf der Lohn der Einsätze: das neue Leben der Kinder. „Sie kommen hier so schwach an“, sagt er. „Dann operieren wir, und sie erholen sich wahnsinnig schnell. Das zu sehen, ist fantastisch.“
Abdiel und seine Mutter sind seit Oktober 2023 wieder in El Salvador. Zur Rückkehr gab es ein großes Fest. Heute lebt der kleine Junge ein ganz normales Leben, der Herzfehler ist fast vergessen. Was bleibt, ist große Dankbarkeit. Und Abdiels Mutter betont: „Wir werden unseren Sohn immer daran erinnern, dass es wunderbare Menschen gibt, die anderen helfen, ohne sie zu kennen und ohne eine Gegenleistung zu erwarten.“