„Wir sehen uns als Pioniere“
Im chilenischen Punta Arenas läutete Barbara Frenkel eine neue Ära bei Porsche ein. Zusammen mit internationalen Partnern eröffnete sie im Dezember 2022 die Pilotanlage Haru Oni für die Produktion von eFuels. Im Christophorus-Interview spricht die Porsche-Vorständin für Beschaffung über ihre ersten zwei Jahre im Amt – und gibt Einblicke in die großen Herausforderungen der Gegenwart.
Frau Frenkel, die erste Pilotanlage zur Herstellung von eFuels läuft nach ihrer feierlichen Eröffnung im Dezember 2022 seit gut einem halben Jahr. Wie sind die Erfahrungen bislang und welche Bedeutung hat diese Anlage für den Weg zur Herstellung synthetischer Kraftstoffe in großem Maßstab?
Die Pilotanlage in Punta Arenas in Chile fährt langsam hoch und erzeugt den ersten synthetischen Kraftstoff. Wir sind stolz auf unser innovatives Projekt und sehen uns als Pioniere. Eine solche Anlage gab es in diesem Maßstab bislang noch nicht, die Technologie ist zudem äußerst komplex. Damit wollen wir beweisen, dass der verkettete Prozess der nachhaltigen eFuels-Herstellung im industriellen Maßstab funktioniert.
eFuels sind in der aktuellen Diskussion nicht unumstritten. Porsche gehört zu den Vorreitern in der Entwicklung. Warum halten Sie die Entwicklung für sinnvoll und welches Potenzial sehen Sie bei eFuels?
Für uns gehört zur Nachhaltigkeit das doppelte E: Priorität hat für uns die Elektromobilität. Wir streben an, bereits im Jahr 2030 mehr als 80 Prozent unserer Neufahrzeuge mit vollelektrischem Antrieb auszuliefern. Damit gehören wir zu den Vorreitern in unserer Branche. Und eFuels sind dann natürlich eine sinnvolle Ergänzung, denn sie können sofort einen Beitrag zur Dekarbonisierung des Verkehrs leisten. Wir denken besonders an unsere Bestandsflotte. Also an all die Porsche-Fahrzeuge mit Ottomotor, die bereits auf den Straßen unterwegs sind – und es noch lange sein werden.
Es gibt Stimmen, die behaupten, Porsche fördere eFuels nur, um die Verbrennungsmotoren beim 911 zu retten. Was halten Sie dem entgegen?
Klar ist: Der 911 wird das letzte Porsche-Modell mit einem Verbrennungsmotor sein. Und in eFuels sehen wir großes Potenzial. Weltweit gibt es heute mehr als 1,3 Milliarden Verbrennerfahrzeuge, für die synthetische Kraftstoffe eine nachhaltige Perspektive bieten. Auch in anderen Bereichen kann der Einsatz von eFuels sinnvoll sein, beispielsweise bei Flugzeugen und Schiffen.
Welche Rahmenbedingungen müssten aus Ihrer Sicht für eine Produktion von eFuels gegeben sein?
Natürlich ist die eFuels-Herstellung nur sinnvoll in Regionen, in denen erneuerbare Energie in großer Menge vorhanden ist. Diese wird dann in eFuels gespeichert und kann so an Orte mit hohem Energiebedarf transportiert werden. Das trifft zum Beispiel im Süden Chiles zu: Die Windenergie ist konstant und im Überfluss vorhanden. Es gibt vor Ort sehr wenig Industrie, kaum Autos, wenig Zivilisation. Dort ergibt die eFuels-Produktion Sinn.
Nachhaltigkeit, E-Mobilität und Digitalisierung – der Wandel findet in nahezu allen Lebensbereichen statt. Wie lassen sich die Veränderungen für Porsche verantwortungsvoll gestalten?
Wir sind momentan Zeugen eines großen Wandels in der Automobilindustrie und werden in den kommenden Jahren mehr Veränderungen erleben als in den letzten 50 Jahren. Charles Darwin hat einmal gesagt: „Es ist weder die stärkste Spezies, die überlebt, auch nicht die intelligenteste, sondern eher diejenige, die am ehesten bereit ist, sich zu verändern.“ Diese Einstellung – nämlich Veränderung als Chance zu begreifen – haben wir bei Porsche. Das sagt sich leicht, ist aber auch eine große Herausforderung. Wir konzentrieren uns in der Transformation auf das Wesentliche. Auf das, was uns seit jeher stark macht. Den Kern bilden die starke Marke, unsere emotionalen Produkte und unser wichtigstes Kapital: die Menschen – unsere Mitarbeiter –, die mit Leidenschaft und Pioniergeist den Wandel vorantreiben. Eine vorausschauende Strategie, starke Partner und ein robustes Geschäftsmodell sind die Basis dafür.
„Nachhaltigkeit ist für mich eine Herzensangelegenheit!“, betonen Sie häufig. Warum ist dieses Thema für Sie auch persönlich so wichtig?
Nachhaltigkeit prägt mein Leben auf vielfältige Art und Weise. Für mich ist Nachhaltigkeit ein Prinzip, eine wertegeprägte Einstellung, bei der es darum geht, Dinge vom Anfang bis zum Ende zu denken. Mich fasziniert auch die Vielschichtigkeit von Nachhaltigkeit. Wie bei Porsche. Bei uns hat Nachhaltigkeit mehrere Dimensionen: ökologisch, sozial und ökonomisch. Diese Felder abzudecken, die richtigen Entscheidungen zu treffen und auch unsere Partner dafür zu gewinnen, das ist spannend. Und Tag für Tag eine neue Herausforderung für mich und mein Team.
Die vergangenen zwei Jahre waren geprägt durch Lieferprobleme und Materialengpässe. Die Gründe waren unterschiedlich, vom Corona-Lockdown in China bis zur Ukrainekrise. Welche Lehren ziehen Sie aus diesen Erfahrungen?
Unsere Lieferketten sind global und komplex, also sind natürlich nicht alle Eventualitäten vorhersehbar. Aber aus jedem Problem kann man lernen – und ich blicke immer nach vorne. Wichtig ist jetzt, unsere Lieferketten durch verschiedene Maßnahmen noch flexibler zu gestalten. Aber natürlich lässt sich die Globalisierung nicht zurückdrehen.
„Für mich ist Nachhaltigkeit ein Prinzip, eine Einstellung.“
Barbara Frenkel
Beim Thema Beschaffung gerät in der Öffentlichkeit auch zunehmend die gesamte Lieferkette in den Blick. Worauf müssen Sie dabei besonders achten – welche Werte spielen auch im Hinblick auf die Porsche Strategie 2030 eine besonders wichtige Rolle?
Mir macht es Freude, unsere Nachhaltigkeitsstrategie – gemeinsam mit meinem Vorstandskollegen Albrecht Reimold – als Patin voranzutreiben. Die Beschaffung spielt dabei eine tragende Rolle, denn Porsche kauft viele Komponenten bei externen Lieferanten ein. Gemeinsam arbeiten wir an innovativen, noch nachhaltigeren Lösungen für unsere Fahrzeuge. Mehr Klimaschutz geht nur zusammen mit den Partnern. Diese wollen wir mitnehmen auf unserem Weg zur bilanziellen CO₂-Neutralität unserer Fahrzeuge im Jahr 2030.
Wie können Sie sicherstellen, dass die Porsche-Werte entlang der gesamten Beschaffungskette gewahrt werden?
Werte und Respekt sind bei allem wichtig. Für mich heißt das: Wir gehen mit Menschen gut um. Porsche setzt sich für faire Arbeitsbedingungen ein, und zwar entlang der kompletten Lieferkette – vom Kaufteillieferanten bis zum Rohstoffabbau. Deshalb geht es auch darum, Lieferketten so transparent wie möglich zu machen. Dafür haben wir ein schlagkräftiges Team aus erfahrenen Experten aufgebaut. Die Kollegen setzen künstliche Intelligenz ein, um frühzeitig auf potenzielle Nachhaltigkeitsrisiken in der Lieferkette hinzuweisen. Zudem verpflichten sich unsere Partner, international anerkannte Nachhaltigkeitsstandards einzuhalten. Das ist seit einigen Jahren ein Muss, wenn sie mit Porsche Geschäfte machen wollen.
Muss ein Unternehmen wie Porsche, mit seiner Leuchtturmfunktion durch die Produkte, bei einer verantwortungsvollen Transformation Trendsetter sein?
Die Elektromobilität lehrt uns eine wichtige Lektion: Bei neuen Technologien muss man den richtigen Zeitpunkt erwischen. So wie Porsche. Wir haben sehr früh auf die Elektrifizierung unserer Produkte gesetzt und 2015 beschlossen, unsere Konzeptstudie Mission E in die Serie zu bringen. Der Taycan, unser erster vollelektrischer Sportwagen, ist inzwischen ein großer Erfolg. Der konsequente Schritt in die Elektromobilität war richtig für Porsche. Wir transformieren aus Überzeugung. Und damit sind wir gerne auch Trendsetter.
Für junge Menschen sind Werte wie Nachhaltigkeit und Glaubwürdigkeit immer zentraler. Wie kann man auf jüngere Zielgruppen zugehen und dennoch traditionelle Werte bewahren?
Mein Verständnis von Nachhaltigkeit hat sich über die Jahre weiterentwickelt. So wie sich auch die Wahrnehmung in der Gesellschaft verändert hat. Denn heutzutage ist Nachhaltigkeit eine Grundlage für Erfolg im Geschäftsleben. Zum Glück. Nachhaltiges Wirtschaften ist mehr als ein Trend, der die Menschen weltweit bewegt. Sie wollen sich mit den Marken verbinden und identifizieren, die ihre eigenen Werte widerspiegeln. Insbesondere Klimaschutz geht uns alle an. Dabei zählt jeder Beitrag. Dazu gehört, dass wir mit Ressourcen schonend umgehen.
Diversität spielt in Unternehmen zunehmend eine wichtige Rolle. Wie nehmen Sie das wahr?
Für mich ist Diversität eine Vielfalt der Perspektiven. Wir brauchen Menschen, die unterschiedliche Erfahrungen einbringen. Deshalb wollen wir mehr Frauen für Porsche begeistern, suchen aber auch Menschen aus anderen Branchen oder mit internationalem Hintergrund. Es hat sich ein großer Wandel im Management vollzogen. Wir schätzen die Bedeutung von Vielfalt. Gemischte Teams können zwar manchmal anstrengend sein, weil nicht alle Mitglieder gleich ticken. Aber die Lösungen sind innovativer, man kommt weiter. Ich selbst finde es spannend, in solchen Teams zu arbeiten.
Aktuell sind 37 Prozent Ihrer Belegschaft in der Beschaffung weiblich. Sie wollen das weiter ausbauen und Voraussetzungen dafür schaffen, dass Frauen mehr Verantwortung übernehmen können. Welche konkreten Voraussetzungen sind das?
Mir geht es darum, mehr Frauen Chancen zu geben, um sichtbar zu werden und Verantwortung zu übernehmen. Klar ist aber auch: Porsche ist eine sportliche Marke – und so geht es bei uns im Team zu. Man muss Leistung und Leistungsbereitschaft zeigen – unabhängig vom Geschlecht. Mir bereitet es Freude, wenn sich Menschen weiterentwickeln und erfolgreich werden. Dabei unterstütze ich auch als Mentorin. Ich bin die einzige Frau im Vorstand – und dadurch auch ein Vorbild für andere Frauen.
„Ich bin stolz darauf, wie gut unser Team zusammenspielt.“
Barbara Frenkel
Sie hatten schon eine erfolgreiche Laufbahn bei Zulieferern hinter sich, als Sie 2001 den nächsten Karriereschritt machten und zu Porsche kamen. Was hat Sie am Unternehmen begeistert?
Die Agilität. Die Beweglichkeit. Und natürlich die Produkte. Die Marke Porsche war schon damals sehr angesehen und äußerst begehrt. Porsche erfindet sich ständig neu, ist nie zufrieden mit dem Erreichten. Das passt zu mir. Diese Dynamik motiviert mich, jeden Tag mit meinem Team Spitzenleistungen zu bringen.
Spielte Ihre eigene Leidenschaft für Porsche-Sportwagen eine Rolle?
Selbstverständlich. Mein Bruder hatte einen silbernen 993 Carrera 2 mit luftgekühltem Motor. Ein wunderschönes Fahrzeug. Die Fahrdynamik war unglaublich und das erste Mal auf dem Beifahrersitz war ein einschneidendes Erlebnis. Der Anfang meiner Leidenschaft für Porsche. Damals habe ich mir gesagt: Irgendwann in meinem Leben möchte ich so einen Sportwagen fahren. Der 911 hat mich immer fasziniert. Ich fahre ihn bis heute.
Wer hat Sie am meisten geprägt?
Meine Eltern. Sie haben mir Werte vermittelt und mich immer unterstützt. Ohne meine Eltern wäre ich nicht dort, wo ich heute bin.
Wie schon besprochen: Sie haben in herausfordernden Zeiten Ihre Vorstandsarbeit begonnen. Worauf sind Sie in Ihrer bisherigen Amtszeit besonders stolz?
Es stimmt: Wir leben in anspruchsvollen Zeiten. Ich habe mein Vorstandsamt inmitten der Corona-Krise angetreten. Dazu stellt uns der Krieg in der Ukraine vor besondere Herausforderungen. Dann kam noch die Halbleiterknappheit. Und immer wieder kommt es zu kurzfristigen Unterbrechungen der Lieferketten. Aber in jeder Krise gibt es auch Chancen. Wir haben unsere Lieferketten auf den Prüfstand gestellt und dort, wo es nötig war, Anpassungen vorgenommen. Ich bin stolz darauf, wie gut unser Team zusammenspielt. Das Resultat kann sich sehen lassen: Trotz schwieriger Umstände haben wir im Jahr 2022 einen Rekord bei den ausgelieferten Fahrzeugen erreicht.
Haben Sie ein Lebensmotto?
Das Leben ist zu kurz, um schlecht gelaunt zu sein.
Verbrauchsangaben
911 Carrera GTS (2023)
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11,4 – 10,4 l/100 km
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258 – 236 g/km
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G Klasse
911 Turbo S
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12,3 – 12,0 l/100 km
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278 – 271 g/km
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G Klasse
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G Klasse
911 Turbo S Cabriolet
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12,5 – 12,1 l/100 km
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284 – 275 g/km
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G Klasse
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G Klasse