So sammelt der Taycan während der Fahrt Energie
Effizientes Fahren: Bei der Rekuperation wird ein Teil der Bremsenergie in die Batterie des Porsche Taycan zurückgespeist. Ein Drittel der Reichweite wird durch diese Rückgewinnung generiert.
Die Autobahn ist frei, Sie fahren 200 km/h. Bis der kleine Lieferwagen ausschert, um einen Tanklastzug zu überholen. Kein Problem: Sie halten ja ausreichend Abstand, verzögern auf 100 km/h. Und mit einem Wimpernschlag ist eine beträchtliche Energiemenge verbraucht! Denn bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor wird die vorhandene Bewegungsenergie an den Bremsen in Wärme umgewandelt – die ungenutzt bleibt. Bei Elektrofahrzeugen hingegen ist es möglich, einen großen Teil dieser Energie zurückzugewinnen, die E-Maschinen beim Verzögern als Generator zu nutzen und mit dem erzeugten Strom die Batterie zu speisen. So wie beim Porsche Taycan, bei dem ein beträchtlicher Teil der Bremsenergie für den Antrieb genutzt wird. Das nennt man Rekuperation. Lateinisch recuperare bedeutet wiedererlangen. In der Technik hat sich das Wort als Begriff für die Rückgewinnung von Energie etabliert. Die kinetische Bremsenergie steigt quadratisch zur Geschwindigkeit – doppeltes Tempo bedeutet vierfache Rekuperation. Der Taycan gewinnt bei einer Bremsung aus 100 km/h viermal so viel Energie zurück wie aus 50 km/h. Diese Rekuperation sowie der Antrieb selbst – das sind die beiden entscheidenden Faktoren für die Effizienz von Elektrofahrzeugen.
Wie schafft der Taycan das?
„Zur Rückgewinnung binden wir die Elektromotoren, die wir in Zuffenhausen produzieren, in das Bremssystem ein“, erklärt Ingo Albers das Grundsätzliche. Der Leiter Fahrwerk im Porsche Entwicklungszentrum Weissach führt aus: „E-Motoren können generell im sogenannten Vier-Quadranten-Betrieb geregelt werden.“ Das heißt: Ein E-Motor kann gleichsinnig arbeiten, dann verlaufen Drehgeschwindigkeit und Drehmoment in derselben – positiven – Richtung. Jeder E-Motor kann aber auch als Generator funktionieren. Dann dreht der Motor weiterhin in derselben Richtung, wird aber nun von den Rädern angetrieben, anstatt diese anzutreiben. In dem Fall verbraucht er keine elektrische Energie, sondern erzeugt sie. Und da zum Antreiben des Motors viel Kraft aufgewendet werden muss, um den Rotor gegen den magnetischen Widerstand zu drehen, kann dieses sogenannte negative Drehmoment genutzt werden, um das Fahrzeug abzubremsen.
Im Taycan sind die Steuergeräte und Leistungselektroniken der E-Motoren deshalb mit den Steuerungen und Logiken des Bremsregelsystems intelligent vernetzt. So können die konventionelle hydraulische Radbremse und die E-Motoren kombiniert verzögern. Die Weissacher Experten haben eine komplexe Strategie zur Rekuperation entwickelt. Innerhalb von Millisekunden entscheidet die Elektronik, zu welchen Teilen elektrisch oder hydraulisch gebremst wird. Der Fahrer spürt keinen Unterschied, er kann ihn lediglich am Powermeter im Kombiinstrument ablesen.
„Wir werden die Effizienz der Rekuperation weiter steigern.“
Ingo Albers
Bei etwa 90 Prozent der Bremsungen im Alltag verzögert der Taycan komplett elektrisch und sammelt dabei Energie ein. „Aber in extremen Situationen wie bei einer Vollbremsung eines vollbeladenen Taycan aus Höchstgeschwindigkeit“, so Albers, „muss eine maximale Bremsleistung von mehr als zwei Megawatt aufgebracht werden. Das kann der elektrische Antriebsstrang allein nicht leisten. Dann kommt die konventionelle Radbremse stärker zum Einsatz.“ Auch kann es sein, dass diese greift, weil die Batterie bereits voll ist und somit kein weiteres Aufladen durch Rekuperation erlaubt. Für alle Fälle – man denke auch an eine Passabfahrt mit voller Batterie – ist die hydraulische Radbremse hoch leistungsfähig ausgelegt. Dank der Auslegung der E-Motoren und der Elektronik im Verbund mit einer Porsche-typischen intelligenten Regelung kann der Taycan mit bis zu 290 Kilowatt rekuperieren. „Das liegt im absoluten Spitzenfeld“, so Albers, „und wir werden diesen Wert weiter steigern.“
Eigene Wege gehen
Einige Automobilhersteller aktivieren die Rekuperation des elektrischen Antriebs selbsttätig in dem Moment, in dem der Fahrer den Fuß vom Fahrpedal nimmt, auch One-Pedal-Driving genannt. „Wir haben uns beim Taycan klar dagegen entschieden“, sagt Albers, „man tritt zum Verzögern aufs Bremspedal. Das ist gelernt und authentisch, der Fahrer erhält konsistente und vorhersehbare Rückmeldung. Außerdem bieten wir so die volle Einbindung von Systemen wie ABS und PSM.“ Technisch wäre es deutlich einfacher, das Bremsvermögen der E-Motoren auf das Fahrpedal zu legen, anstatt es in das Bremssystem zu integrieren. „Aber wir haben nur eine geringe Rekuperation auf das Fahrpedal gelegt. Diese nimmt der Fahrer gerade im außerstädtischen Bereich als effizientes, segelndes Dahingleiten wahr“, erklärt Ingo Albers.
Fazit: Porsche bleibt Porsche – in beständiger Neuerfindung. Auch beim ersten rein elektrischen Sportwagen aus Zuffenhausen wurden ganz eigene Wege definiert – stets mit dem Ziel der maximalen Effizienz. Durch die kluge Strategie im Hintergrund erlangt der Taycan rund ein Drittel seiner Reichweite durch die Rückgewinnung von Bremsenergie, die Rekuperation.