„Auf das Wesentliche konzentrieren“
Im Interview mit Oliver Blume erfuhr der Christophorus, wie der Porsche-Chef sein Unternehmen erfolgreich durch die Corona-Krise steuert.
Verbrauchsangaben
Porsche Cayenne Coupé-Modelle
Kraftstoffverbrauch kombiniert: 11,6–9,3 l/100 km
CO2-Emissionen kombiniert: 264–212 g/km
Porsche Cayenne E-Hybrid Coupé-Modelle
Kraftstoffverbrauch kombiniert: 3,9–2,5 l/100 km
Stromverbrauch kombiniert: 22,4–18,7 kWh/100 km
CO2-Emissionen kombiniert: 90–58 g/km
Porsche 911 Turbo S-Modelle
Kraftstoffverbrauch kombiniert: 11,3–11,1 l/100 km
CO2-Emissionen kombiniert: 257–254 g/km
Porsche 911 Targa-Modelle
Kraftstoffverbrauch kombiniert: 10,3–9,8 l/100 km
CO2-Emissionen kombiniert: 235–223 g/km
(alle Stand 10/2020)
Herr Blume, das Corona-Virus stellt Gesellschaft und Wirtschaft vor enorme Herausforderungen. Wie hat Porsche die Krise bisher überstanden?
Wir sind robust unterwegs. Das zeigen auch die positiven Geschäftszahlen vom ersten Halbjahr. Im Wettbewerbsvergleich sind wir vorn dabei. Die Basis unseres Erfolgs ist unser Team. Gemeinsam haben wir die Krise gemeistert: beim Schutz der Gesundheit, unternehmerischen Themen oder digitaler Kommunikation. Dabei immer unsere Kunden im Blick. Um sie geht es, ihnen wollen wir Träume erfüllen.
Was unterscheidet Porsche von anderen?
Porsche war immer anders und ist eine besondere Marke. Die Mannschaft ist hochmotiviert, arbeitet mit Herzblut, steht fest zusammen. Wir leben noch heute den Pioniergeist, mit dem Ferry Porsche ans Werk gegangen ist. Wir haben sehr früh strategische Weichen gestellt, beherzt agiert und sehen die Krise als Chance. Rückenwind geben uns unsere attraktiven Produkte: ob der ikonische 911, das neue Cayenne Coupé oder der Elektro-Sportler Taycan, der jüngst zum innovativsten Automobil der Welt gewählt wurde. Das alles gibt uns Zuversicht.
Das klingt nach ganz klaren Vorstellungen. Wie setzt man so etwas im Corona-Alltag um?
Indem wir uns aufs Wesentliche konzentrieren. Was macht Porsche aus, was ist uns wirklich wichtig? In einer Krise wird schnell deutlich, wie stabil und flexibel ein Unternehmen aufgestellt ist. Wir haben intensiv an unserer Kostenstruktur gearbeitet. Haben die Zeit genutzt, um unsere Strategie, Prozesse und Produkte weiterzuentwickeln. Generell setzen wir digitale Methoden stärker ein als je zuvor. Das gilt für die Zusammenarbeit, aber auch für Erlebnisse unserer Kunden.
Und wie sehr hat Corona die Art der Kommunikation verändert?
Es gibt auch hier eine neue Realität – und die ist sehr viel digitaler. Wir haben die Weltpremieren für den 911 Turbo S oder den 911 Targa online inszeniert. Authentisch, informativ und innovativ. Die Erkenntnisse sind eindeutig positiv. Auch im Vertrieb funktionieren digitale Formate. Gleichzeitig fehlt aber die Emotionalität, die man beim Fahren des Fahrzeugs erlebt. Besprechungen sind deutlich disziplinierter, konzentrierter und zielorientierter. Aber auch hier fehlt der persönliche Kontakt. Insgesamt ist mein Fazit positiv: Das Digitale macht das Leben flexibler und der persönliche Austausch bleibt weiterhin wertvoll.
„Die Basis unseres Erfolgs ist unser Team.“ Oliver Blume
Wie haben Sie Ihre Mannschaft in der Hochphase der Corona-Krise gesteuert?
Besonnen, systematisch, teamorientiert. Corona hat die Spielregeln der Gesellschaft verändert, für Unsicherheit gesorgt. Ich selbst agiere in kritischen Situationen noch ruhiger als sonst. Mir geht es gerade dann um Rückhalt, Orientierung und Sicherheit für das Team. Gleichzeitig kommt es darauf an, pragmatisch, eindeutig und schnell zu entscheiden.
Welche Entscheidungen mussten getroffen werden?
Im Krisenstab wurden täglich eine Vielzahl an Themen diskutiert und auf Basis von Fakten entschieden. Es ging um Gesundheitsschutz und Arbeitsplätze, Liquidität und Wirtschaftlichkeit, aber insbesondere auch um unsere Kunden und Partner. Dank unserer IT-Mannschaft konnten wir ab dem ersten Tag des Lockdowns umfassend mobil arbeiten. Im Betrieb vor Ort haben wir weitergearbeitet, wo es möglich war. Als Engpässe in den globalen Lieferketten immer größer wurden, mussten wir am Ende die Produktion für sechs Wochen ruhen lassen. Stets mit dem Blick nach vorn und der Vorbereitung für den Wiederanlauf.
In dieser schwierigen Phase hat das Unternehmen aber nicht nur auf sich selbst geschaut …
Das stimmt. Uns war wichtig: Wie geht es anderen, wo ist unsere Hilfe gefordert? In einer Krise müssen Menschen enger zusammenrücken. Jeder muss sich einbringen. Darüber ist das Programm „Porsche hilft“ entstanden. In Deutschland haben wir die Krisenstäbe der Landesregierungen von Baden-Württemberg und Sachsen unterstützt und Schutzausrüstungen über unsere weltweiten Lieferketten organisiert. Unsere Spenden haben wir deutlich erhöht, um in Not geratenen Menschen zu helfen. Zudem haben unsere Mitarbeiter umfangreich privat gespendet. An allen internationalen Standorten gab es vielfältige Initiativen. Die Kollegen in den USA haben den letzten 991 Speedster für einen guten Zweck versteigert, die Summe verdoppelt und gespendet. Andere haben täglich für ältere Menschen gekocht – die Bandbreite der Aktionen war großartig.
Die Firma Porsche ist kein Selbstzweck, sondern hat eine gesellschaftliche Funktion?
Das ist unsere Grundeinstellung. Unser Verständnis von Nachhaltigkeit umfasst Wirtschaftsfragen, Umweltschutz und gerade auch soziale Verantwortung. Die Welt für die Gesellschaft und zukünftige Generationen lebenswert zu erhalten, empfinde ich persönlich als eine große Motivation.
Hier spricht nicht nur der Porsche-Chef, sondern auch eine Persönlichkeit. Wer hat Sie auf Ihrem Weg geprägt?
In erster Linie meine Eltern, Familie und Freunde. Meine Frau hat beispielsweise in den Zeiten der großen Flüchtlingswelle entschieden, sich um Menschen zu kümmern, die mit nichts zu uns gekommen sind. Sie hilft ihnen beim Start, gibt Kindern Deutschunterricht. Die ersten haben jetzt in Deutschland eine Ausbildung abgeschlossen oder Abitur gemacht. Bildung ist das Fundament. Und jeder einzelne Mensch zählt. So etwas prägt mich.
Wie waren Ihre Startbedingungen?
Ich hatte eine tolle Jugendzeit, bin in normalen Verhältnissen aufgewachsen. Mein Vater arbeitete in einem Supermarkt, meine Mutter in einer Bank. Mir wurde eine gesunde Einstellung zum Leben vermittelt. Ich nehme jeden Menschen, wie er ist. Im Unternehmen spielt es für mich keine Rolle, ob ich mich mit einem Kollegen aus der Produktion unterhalte, mit einem Aufsichtsratsmitglied oder Vorstandskollegen. Ich respektiere jeden und weiß, dass ich von jedem lernen kann. Und so möchte auch ich behandelt werden. Das sind meine Grundwerte, die ich von zu Hause mitbekommen habe. Respekt und Wertschätzung haben für mich eine große Bedeutung.
Sind Sie ein Optimist?
Absolut! Ich denke immer an das Machbare und in Chancen. Eine positive Grundeinstellung ist die halbe Miete. Das habe ich im Sport gelernt: Nur eine Mannschaft, die mit Selbstvertrauen und unbedingtem Siegeswillen auf den Platz geht, gewinnt am Ende auch.
Wie wichtig ist der Chef, wie wichtig ist das Team?
Jedes Team ist nur so gut, wie es geführt wird. Das gilt für alle Teams – im Sport oder in der Wirtschaft. Bei Porsche sehe ich mich als Spielertrainer einer Topmannschaft. Für mich ist Führung eine Dienstleistung, eng verbunden mit Verantwortung, Organisation und Orientierung. Ich gebe klare Leitplanken vor. Aber so, dass für jeden genügend Individualität, Kreativität und Flexibilität bleibt. Wie im Sport beginnt es mit der Mannschaftsaufstellung. Nicht jeder ist auf jeder Position richtig eingesetzt. Es geht darum, wo jeder seine Stärken am besten einbringen kann. Dann kommen Spielsystem und Taktik, vergleichbar mit der Strategie und den Prozessen in einem Unternehmen. Und über allem steht der Teamgeist. Mit einem starken Team kann ich Berge versetzen.
Gibt es Vorbilder, die Sie geprägt haben?
Ein konkretes Vorbild habe ich nicht. Mich inspirieren Menschen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten. Im persönlichen Umfeld, der Gesellschaft, im Sport oder in der Wirtschaft. Ich hatte sehr gute Chefs. Von jedem habe ich etwas gelernt, von ihrer Erfahrung profitiert. Wichtig war mir immer, meine eigene Persönlichkeit weiterzuentwickeln und dabei authentisch zu bleiben. Kopieren funktioniert nicht. Im Sport begeistern mich Trainertypen wie Jürgen Klopp. Er holt mit Sachverstand und Leidenschaft alles aus seiner Mannschaft raus. Das ist Führungsqualität. Das begeistert mich.
Heißt das, der Mensch Oliver Blume ist noch auf dem Weg?
Eindeutig. Sich weiterzuentwickeln, ist ein lebenslanger Prozess. Das hört nie auf. Das Schöne am Älterwerden ist, Erfahrungen mit Neuem zu verbinden. So reift man, wird klüger und reflektierter. Und kann davon viel an andere weitergeben. Für mich ist das eine große Lebensmotivation.
Erfahrung sammelt man besonders in Drucksituationen. Wie gehen Sie mit solchen Momenten um?
Mit einer positiven Grundhaltung, mit innerer Balance und Mut. Eine Drucksituation erzeugt bei mir eine positive Anspannung. Wichtig ist mir, den Druck nicht an die Mannschaft zu übertragen. Es ist klar, dass ein Weg nie gerade verläuft. Mit der richtigen Einstellung ist aber jedes Ziel zu erreichen. Ein gutes Beispiel sind Projekte wie ein neuer 911 oder der Taycan. Es gibt immer schwierige Situationen, die es im Team zu meistern gilt. Entscheidend ist die richtige Vorbereitung, auf den Punkt fit zu sein und um jeden Meter zu kämpfen. Jeder für den anderen.
Und wie finden Sie die innere Balance?
Beim Sport kann ich am besten abschalten. Ich jogge, fahre Mountainbike, spiele auch mal Tennis oder schwimme. So bekomme ich den Kopf frei, kann Kraft tanken und reflektieren. Wo habe ich vielleicht falsch reagiert, welche Entscheidungen haben Priorität, was nehme ich mir vor. Das gute Gefühl nach dem Sport ist ein richtiger Energieschub.
Hat Sie die Corona-Krise auch persönlich verändert?
Ich habe noch viel bewusster gelebt. Durch weniger Reisen hatte ich abends mehr Zeit mit meiner Familie. Meine Kinder waren immer da, wir hatten viele Gelegenheiten zum Austausch. Mir ist noch deutlicher geworden: Es sind die Menschen, die das Leben lebenswert machen. Und es bedarf nur sehr weniger, durchaus kleiner Dinge, um wirklich glücklich zu sein.
Hat Ihnen Ihre sonst intensive Reisetätigkeit gefehlt?
Eigentlich nicht. Im Gegenteil, es war sogar eine positive Erfahrung: Ich hatte noch nie so viel Zeit, mich um das ureigenste Porsche-Geschäft zu kümmern, konnte noch viel stärker und umfangreicher in Details einsteigen. Das habe ich im bisherigen Arbeitsrhythmus mit meinen vielfältigen Aufgaben im Volkswagen Konzern nicht in diesem Umfang geschafft.
In Zuffenhausen waren Sie in der Hochphase ziemlich allein auf dem Werksgelände. Wie hat sich das angefühlt?
Ganz allein nicht, es waren täglich Kollegen da – mit Abstand natürlich. Aber es war ein seltsames Gefühl, durch menschenleere Werkshallen zu gehen. Unsere ganze Emotion hängt daran, Sportwagen zu bauen, davon leben wir. Und dann diese Leere. Das war wie in einer völlig schräg konstruierten Fantasy-Serie. Manchmal habe ich gedacht: „Ist das Realität oder bloß ein schlechter Traum?“
Durch Corona hat die Eigenschaft des Autos als Schutzraum wieder an Bedeutung gewonnen. Ist es jetzt positiver belegt?
Für mich bedeutete ein Auto immer schon Freiheit. Diese Freiheit inklusive Schutzfunktion spüren die Menschen jetzt intensiver. Ich sehe für Automobile eine große Zukunft, sofern sie nachhaltig und umweltfreundlich sind. Das sicherzustellen, ist unsere große und gemeinsame Aufgabe.
Stichwort Nachhaltigkeit, Stichwort Taycan. Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Taycan-Moment?
Na klar. Das war in einer frühen Prototypenphase, wir waren alle angespannt. Wie sportlich kann man Elektromobilität auslegen? Als ich dann dieses elektrische Porsche-Erlebnis hatte, die wahnsinnige Antrittsschnelligkeit und Fahrdynamik spürte, hat mich das extrem begeistert. Der Taycan beschleunigt schneller als die Erdbeschleunigung. Es war ein Gefühl, wie vom Zehn-Meter-Turm ins Wasser zu springen. Der Taycan ist ein Meilenstein für sportliche Elektrofahrzeuge und nachhaltige Mobilität.
Und was bedeutet dieser Meilenstein für die Zukunft von Porsche?
Die Elektromobilität ist für uns eine Riesenchance. Den Taycan zu realisieren, war ein harter Kampf und eine Frage des Pioniergeists. Wir haben uns sehr viel zugetraut, gleichzeitig aber auch viel gelernt. Für unsere Mannschaft ist es eine riesige Motivation zu sehen, wie gut das Auto ankommt. Unser Antriebsmix für die Zukunft ist flexibel: Wir bauen die Elektromobilität weiter aus, setzen aber genauso auf emotionale Verbrennungsmotoren und leistungsstarke Hybridantriebe. Unsere Maxime ist: Der richtige Sportwagen für den richtigen Zweck. So wird Porsche immer Porsche bleiben.
Info
Im neuen Podcast 9:11 spricht Oliver Blume mit Porsche-Kommunikationschef Sebastian Rudolph sowie dem Journalisten und Unternehmer Kai Diekmann über die Corona-Pandemie. Zentrales Thema sind die Auswirkungen auf Gesellschaft, Wirtschaft und Unternehmensführung.
Die Episode finden Sie unter porsche.click/911podcast und auf allen Podcast-Plattformen.
-
9:11. Porsche. Podcast. – Folge 1: Corona und die Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft