3:11,911 Min.

Juni 2035, 24 Stunden von Le Mans, zweites Qualifying: Porsche feiert den letzten Sieg eines von Menschenhand gesteuerten Rennwagens.

Der Österreicher Benjamin Karratsch erkämpft sich die Poleposition beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans. Der 13,629 Kilometer lange Kurs im Nordwesten Frankreichs ist bereits seit drei Jahren induziert – eine Pionierleistung, denn international steckt die Ausstattung der Rennstrecken mit durchgängigen Elektromagnetfeldern noch in den Kinderschuhen.

Das Starterfeld ist ausschließlich elektrisch angetrieben. In der stärksten Kategorie, den sich fahrerlos autonom bewegenden Le-Mans-Prototypen der Klasse 1 (LMP1-A), messen sich fünf Hersteller, darunter Porsche. Zu Forschungszwecken geht Porsche aber auch in der Kategorie LMP1-HS (Homo sapiens) an den Start. Der Nachteil von Karratschs 925 E: sein Mehrgewicht durch Fahrer, Bedienelemente und die nötige Sicherheitsausstattung. Weil Karratsch eine 50-Kilo-Jockeyfigur hat und Porsche ihn mit einem Energie absorbierenden Makromolekular-Leichtanzug ausstattet, beträgt das Handicap jedoch nur 100 Kilogramm – exakt der Ballast, den die LMP1-A-Wagen zugunsten des Wettbewerbs zuladen müssen. Trotz nahezu gleicher Voraussetzungen liegen im ersten verregneten Qualifying dennoch alle fünf LMP1-A-Fahrzeuge vorn.

In diesem Qualifying setzt sich zum letzten Mal ein Mensch gegen Maschinen durch.

Es ist bereits dunkel, als das zweite und letzte Qualifying beginnt. Die Strecke ist trocken, die Rundenzeiten vom Vortag sind Makulatur. Karratsch steht als Dritter am Boxenausgang, vor und hinter ihm lauern jeweils zwei LMP1-A-Wagen. Beim Reifenanwärmen auf der Einführungsrunde melden die Hecksensoren nichts als schwarze Nacht. Karratsch erkundigt sich über Funk nach dem Verbleib der Kontrahenten. „Safety-Alarm 1 und 3 ausgelöst, keine Freigabe, beide wieder in der Box“, lautet die für den 22-Jährigen erfreuliche Nachricht. Startplatz drei muss nun mindestens drin sein! Erste Schikane, Dunlopbogen, Tertre Rouge. Am Kurvenausgang katapultiert ein gewaltiges Drehmoment von knapp 2.000 Newtonmeter den Allradler auf die lange Hunaudières-Gerade. Er erreicht 352 km/h. Dann geschieht das Unvorhersehbare: Kurz vor der zweiten Schikane läuft ein Fuchs auf die Strecke. Die Wärmebildkamera des führenden LMP1-A erkennt das Tier und löst den Befehl „Ausweichen um jeden Preis“ aus. Als der Fuchs spontan die Richtung ändert und die Elektronik erneutes Ausweichen diktiert, trifft der Roboter mit dem rechten Hinterrad unglücklich den Randstein, wird in einen Linksdreher gezwungen und kommt entgegen der Fahrtrichtung zum Stehen. Im Scheinwerferlicht des zweiten herannahenden LMP1-A befindet sich nun rechts am Einlenkpunkt zur Schikane der verstörte Fuchs, links das umgedrehte Fahrzeug, die Fahrzeugelektronik weicht auf den Grasstreifen aus, dabei touchiert der Wagen funkensprühend die Leitplanke. Als Karratsch den Ort des Geschehens passiert, ist der Fuchs geflohen und der Eingang in die Schikane frei. Nach 3:11,911 Minuten überfliegt der LMP1-HS die Ziellinie. In diesem Qualifying setzt sich in Le Mans zum letzten Mal ein Mensch gegen Maschinen durch. Über die gesamte Renndistanz jedoch hat Karratsch keine Chance.

07.06.2035

24 Stunden von Le Mans
Circuit des 24 Heures, Le Mans
Benjamin Karratsch, Porsche-Werksteam
13,629 Kilometer Streckenlänge
Porsche 925 E

Heike Hientzsch
Heike Hientzsch