Der Glücklichmacher

In seiner Scheune befinden sich einige der seltensten Porsche-Rennwagen Großbritanniens. Zu seinen Kunden zählen Popstars und Könige. Lee Maxted-Page hat sich auf dem Land einen Traum verwirklicht.

Eine staubige Landstraße irgendwo in Nord-Essex. Links und rechts von der Sonne beschienene Felder, so weit das Auge reicht. Vor uns ein verblichenes Holzgatter mit einem einsamen Briefkasten. Darauf steht in simplen handgeschriebenen Lettern ein Name: Lee Maxted-Page. Hier sollen sie also zu finden sein, einige der seltensten Porsche-Kleinode auf der britischen Insel. Kaum vorstellbar, dass sich auf dem Grundstück dahinter, einer einfachen Farm mit Pferdekoppeln, Traktoren, Mähmaschinen und Hühnern, metallene Werte in Millionenhöhe verbergen. Wir sind gespannt.

Lee Maxted-Page ist ein schlanker, behutsam auftretender Mann. „Understated“ ist nicht nur sein Auftritt, sondern das Motto seines gesamten Business. „Wir mögen es unauffällig“, sagt er, der die kleine Farm in der Nähe des Flughafens Stansted vor über 15 Jahren erstand und daraus eine der Top-Anlaufstellen für Porsche-Sammler weltweit machte. Der klassische „Scheunenfund“ neu interpretiert: Als er die Türen zu einem der drei Lagerräume neben den Koppeln öffnet, strahlt von innen der Glanz eines halben Porsche-Jahrhunderts nach draußen.

Frühe 356er sehen aus, als seien sie soeben vom Band gelaufen

Der Anblick erinnert an Qs Geheimlabor aus den James-Bond-Filmen. Im gleißenden Licht der Neonröhren stehen sie auf weißen Kacheln sorgsam aufgereiht: frühe 356er, die aussehen, als seien sie soeben vom Band gelaufen. Makellose Gruppe-C- Porsche. Drei-Liter-Carreras aus dem International Race of Champions, von denen 1973 nur 15 gebaut wurden, neben einigen, nicht minder gesuchten 2.7-911ern. Einer der beliebten 934 Jägermeister-Kremer RSR aus der legendären Gruppe 4. Lebendige Geschichte, die vor uns atmet und noch immer nach Schweiß, Öl und Sehnsucht riecht. Erinnerungen, die unverkäuflich erscheinen. Und doch. Man reibt sich ungläubig den Landstraßenstaub aus den Augen.

Die Garage von Lee Maxted-Page

Einen Tee vielleicht? Gern. Erst einmal setzen. Das Büro von Lee Maxted-Page ist verglast und hochmodern. Hinter ihm stehen mehrere Regale, bis zur Decke gefüllt mit Fachliteratur. Der Blick ist stets auf die ca. 20 Fahrzeuge gerichtet, die derzeit bei ihm zu Verkauf, Restaurierung und Wartung stehen. Hier drinnen, wo nichts mehr an Scheunenflair erinnert, sitzt Lee den Aga Khans dieser Welt gegenüber. Seine Kundschaft reicht von europäischen Königshöfen bis zu britischen Popstars.

„Ich bin immer 911 gefahren, seit ich 20 Jahre alt war“

Als Lee vor zehn Jahren entschied, sich ausschließlich auf den Handel mit historischen Porsche-Fahrzeugen zu spezialisieren, war dies eine Marktlücke. Für den passionierten Autohändler nicht nur eine geschäftliche Entscheidung. „Ich bin immer 911 gefahren, seit ich 20 Jahre alt war. Wenn man einmal einen luftgekühlten Porsche erlebt hat, dann gibt es nichts anderes mehr“, sagt er. Die Spezialisierung auf seltene Rennfahrzeuge war ebenfalls eine Entscheidung aus Leidenschaft. Viele der originalen Werksfahrzeuge fanden bereits ihren Weg auf die verträumte Farm in Essex, darunter nicht nur einige Martini-Rennwagen wie das weltberühmte Chassis R6, Gewinner der Targa Florio 1973.

Sowieso ein Schicksalsjahr für Lee Maxted-Page. Kein Händler weltweit hat im Laufe der Jahre mehr 1973er 2.7 Carrera verkauft als er. Aktuell steht ein 2.8 RSR zum Verkauf, für fast drei Millionen Pfund. Der legendäre Samson-Kremer-Renner ging 1973 in die Geschichte der Marke als Sieger der Europäischen GT-Meisterschaft ein. Am Steuer Clemens Schickentanz, für den es der größte Triumph in seiner Karriere sein sollte. Der RSR nahm zudem zweimal bei den 24 Stunden in Le Mans teil und wurde auf dem offiziellen Rennplakat des Grafikers Erich Strenger verewigt. Lee Maxted-Page kennt die Geschichte jedes seiner Fahrzeuge auswendig. Unbedingter Teil des Geschäfts im Oldtimer-Handel. Aber auch Passion. „Manchmal fällt es schwer, die Autos gehen zu lassen. Sie sind wie Mitglieder der Familie. Umso mehr freut es uns, wenn sie wieder zu uns finden.“ Neuerdings richtet sich sein Interesse auf die Gruppe-C-Fahrzeuge, von denen er aktuell drei im Angebot hat. „Sie erfahren gerade ein starkes Interesse bei Teilnehmern an Oldtimer-Rennen. Im Moment sind sie noch relativ günstig, aber in einigen Jahren werden wir zurückblicken und feststellen, dass sie unerschwinglich geworden sind“, sagt Lee, und man ahnt, dass er einiges Verkaufstalent besitzt.

Ein 911 2.8 RSR wird gerade auf der Hebebühne platziert

Kein Wunder, dass Stars wie Take-That-Sänger Howard Donald oder der autoverrückte Jamiroquai-Frontmann Jay Kay bei ihm kaufen. Mit Howard Donald fährt Lee oft selbst Rennen, Jay Kay ist inzwischen ein persönlicher Freund, dem er bereits mehrere Fahrzeuge verkauft hat, die auch in den Videos des britischen Superstars vorkommen. Seine letzte Akquisition von Maxted-Page, ein auberginefarbener Carrera RS 2.7, war zuletzt im Musikvideo zu Jamiroquais neuster Single „Lifeline“ zu sehen. Darin fährt der Musiker mit seinem Auto um die Welt und streicht ihm sanft übers Dach. Ein grell orangefarbener 911 2.8 RSR wird gerade auf der Hebebühne platziert und morgen von Liam Howlett von The Prodigy abgeholt. „Es scheint, dass Musiker den Sound alter Porsche lieben“, sagt Lee, „vielleicht spricht der Klang der Motoren sie an.“

Die Spuren der Zeit sollen noch sichtbar und erhalten bleiben

Neben dem Handel und der Restaurierung sind die Lagerung und die Vorbereitung für Rennen ein weiterer Schwerpunkt des sechsköpfigen Teams bei Maxted-Page. Oft werden in mühsamer Kleinstarbeit Originalteile ausfindig gemacht, werden alte Rennfahrzeuge wieder auf historische FIA-Spezifikation getrimmt, werden Motoren zerlegt und neu aufgebaut. Restaurierung und Konservierung sind dabei zwei völlig verschiedene Dinge. Wie in vielen Gebieten der Werterhaltung wird auch in der Autoindustrie zunehmend auf Konservierung gesetzt, das heißt, ein Auto wird nicht zwingend in den neuwertigen Ursprungszustand zurückversetzt, sondern vielmehr liebevoll so überarbeitet, dass die Spuren der Zeit noch sichtbar und erhalten bleiben.

Ein Zwei-Liter-Rennmotor von 1965  ist beinahe museal aufgebockt

„Der Markt entwickelt sich, und die Kunden werden anspruchsvoller. Der Originalzustand ist deshalb gesuchter als Restaurierung.“ Bei Maxted-Page wird alles selbst gemacht, außer den schweren Lackier- und Metallarbeiten. Die Motoren- und Getriebe-Werkstätten des Familienbetriebs präsentieren sich dabei genauso klinisch und makellos wie der Rest des Lagers. Die Schubladen mit allen Schrauben und Werkzeugen sind penibel beschriftet und sortiert. In der Mitte des Raumes ist beinahe museal ein Zwei-Liter-Rennmotor von 1965 aufgebockt, der nur noch auf den Vergaser wartet. In diesem Fall ein kleines, aber kostspieliges Detail. Seltene Einzelteile wie die Solex-Vergaser von 1966 bekommt man nämlich selten unter 10.000 Dollar. Doch Lee Maxted-Page ist überzeugt: „Die Restaurierung eines solchen Autos ist eine Investition, keine Ausgabe.“

Maxted-Page: „Die Restaurierung ist eine Investition, keine Ausgabe“

Es kommt vor, dass Maxted-Page einige seiner Raritäten an das Porsche-Museum und andere Institutionen verleiht, da sie weltweit einzigartig sind. Als der damals noch unbekannte Porsche-Händler das erste Mal nach Stuttgart fuhr, um sich vorzustellen, wollte man seinen Ohren zunächst nicht trauen, als der Brite erzählte, welch seltenes Stück er bei sich stehen habe. Lee lächelt verschmitzt und erhebt sich. Seinen Tee in der Hand, führt er uns in die nächste Scheune. Auch hier ein einfaches Tor, das er schwungvoll öffnet. Als die Neonröhren mit einem hörbaren Summen bis in die letzten Ecken flackern, gefriert uns trotz sommerlicher Temperaturen das Benzin in den Adern.

Von makellosen Tüchern bedeckt, treten nach und nach die Silhouetten weiterer großer Porsche-Ikonen der Vergangenheit hervor. Hier verwahrt Lee die Kleinode seiner besten Kunden, einer Privatsammlung. Ein Tuch wird beiseitegeschoben und zutage tritt die prägnante Frontleuchte eines rot-weißen 917 K. Das Auto, das 1970 den ersten Le-Mans-Gesamtsieg für Porsche holte. Chassis-Nummer 917-023. Während wir noch unseren Kiefer einrenken, lächelt Lee verschmitzt. „Als wir bei Porsche geladen waren, stand ein Modell dieses Fahrzeugs im Regal des Meeting-Raums in Stuttgart. Und wir sagten: ›Wir haben dieses Fahrzeug‹. – ›Sie meinen, ein Modell davon?‹ – ›Nein, das Original‹“.

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