Schauplatz der Legenden

Auf der legendären Nordschleife des Nürburgrings wurde viele Male Renngeschichte geschrieben – nicht zuletzt von Porsche. Zehn besonders denkwürdige Momente.

Er wird vergöttert – und verteufelt. Der Nürburgring bewegt wie keine andere Rennstrecke dieser Welt. Eröffnet am 18. Juni 1927, wird er in wenigen Wochen 90 Jahre alt.

Der Kraftakt des Ferdinand Porsche

30 Tage nach der Eröffnung des Nürburgrings vor 85.000 Zuschauern wird der Große Preis von Deutschland ausgetragen. Nach knapp fünf Stunden und 500 Kilometern feiert Mercedes einen Dreifachsieg, angeführt von Otto Merz, einem 38-jährigen Schlossersohn aus Esslingen. Es ist auch der große Triumph des Ferdinand Porsche. Er hat den Mercedes-Motor des Typs S erschaffen, den Kraftprotz der Kompressor-Ära: 6,8 Liter Hubraum, bis zu 180 PS. Dank Ferdinand Porsche erreicht der Motorsport eine neue Dimension. Auch der Nürburgring setzt Maßstäbe. Rudolf Caracciola hat sofort Ehrfurcht vor der (zu dieser Zeit) 28 Kilometer langen Strecke: „So etwas haben wir noch nie erlebt. Bärig schwer. Wird man eine Stelle, die 95 km/h verlangt, mit 105 km/h anfahren und den Wagen nur leicht übersteuern, dann wird der Pilot für gewöhnlich zehn Minuten später mit dem Sanitätsauto abgeholt.“

Wunderwagen mit 16 Zylindern

Am Karussell ist eben erst die Schrägbahn mit 33 Prozent Neigung installiert worden. Der Große Preis von Deutschland steht ganz im Bann der nahenden Olympischen Spiele in Berlin, bei einer Sternfahrt und mit 23 Sonder­zügen sind Olympia-Sportler und 30.000 Touristen in die Eifel gekommen – von der indischen Hockeymannschaft bis zu den Reitern aus Rumänien. Das Rennen bietet 220.000 Zuschauern ein Duell von Mercedes und Auto Union, das am Ende Auto Union gewinnt. Bernd Rosemeyer siegt vor seinem Teamkollegen Hans Stuck. Es ist auch ein weiterer großer Erfolg für Ferdinand Porsche. Er hatte diesen Wagen, den dritten (deshalb Typ C) in der Grand-Prix-Geschichte der Marke, entwickelt. Der 16-Zylinder-Motor leistet 520 PS, er ist bis zu 320 km/h schnell. Der Wunderwagen bricht im Lauf seiner Geschichte mehr als 30 Weltrekorde im Rennsport.

Siegen für die Geschichte

Die Sportwagen-Weltmeisterschaft 1956 ist ein Schaulaufen einiger der größten Piloten aller Zeiten. Auch Juan Manuel Fangio und Sir Stirling Moss wollen sich das vierte Rennen der Saison, die 1.000 Kilometer auf der Nordschleife, nicht entgehen lassen. Mehr als 70.000 Fans kommen, um das Rennen zu verfolgen und um die vielen Porsche-Modelle zu bewundern: 22 Privatteams bringen sechs Porsche 550 A Spyder sowie 16 Porsche 356 und 356 Carrera an den Start. Und dann ist da noch das Werksteam, das zwei Porsche 550 Spyder einsetzt, mit Wolfgang Graf Berghe von Trips und Umberto Maglioli sowie Richard von Frankenberg und Hans Herrmann. Trips und Maglioli erreichen den vierten Platz in der Gesamtwertung und damit den ersten Klassensieg für Porsche in der Kategorie bis 1,5 Liter Hubraum. Der andere 550 fährt als Zweiter durch das Ziel. Gesamtsieger werden die Maserati-Piloten Taruffi / Schell / Behra / Moss.

1.000 Kilometer für die Ewigkeit

Während die Formel 1 in Deutschland sechs Jahre nach dem Tod von Graf Berghe von Trips und zwölf Jahre nach dem Ausstieg von Mercedes schwierige Zeiten erlebt, beginnt eine Phase großer Sportwagenrennen – angeführt von Porsche. Beim 1.000-Kilometer-Rennen ist das Fernsehen live dabei. Und sendet Historisches in die Welt: Erstmals gewinnt ein Rennwagen aus Zuffenhausen die Gesamtwertung. Aber der Nürburgring schreibt auch hier ein Drama. Der letzte Akt des Rennens ist mit pechschwarzer Tinte verfasst – die klar führenden Lucien Bianchi und Gerhard Mitter scheiden in der finalen Runde mit einer defekten Lichtmaschine aus. Trotzdem feiert Porsche einen Vierfachsieg. Ganz vorne: Udo Schütz/Joe Buzzetta. Wie schnell in diesen Rennsportjahren aus einem Drama eine Tragödie wird, zeigt sich in der übernächsten Saison: Bianchi stirbt im Frühjahr 1969 in Le Mans, Mitter im August auf dem Nürburgring.

Porsche gewinnt den Weltmeistertitel

1.000-Kilometer-Rennen sorgen immer wieder für faszinierende Momente, wie der „fliegende“ Porsche 908/02 von Richard Attwood 1969 eindrucksvoll zeigt (Seite 76). Ein Jahr später, in den Stunden, in denen in Mexiko die Fußball-Weltmeisterschaft eröffnet wird, steht Deutschland bereits als Sieger der Sportwagen-WM fest. Oder ist es doch Österreich? Einigen wir uns auf: Porsche. Vor 100.000 Fans setzen sich Kurt Ahrens und Vic Elford im Porsche 908/03 beim 1.000-Kilometer-Rennen durch, vor ihren Teamkollegen Hans Herrmann und Richard Attwood. Beide Rennwagen werden von Porsche Salzburg eingesetzt. Da es Werksautos sind, sichern sie Porsche vorzeitig den Sieg in der Marken-WM. Attwood und Herrmann gewinnen zwei Wochen später in Le Mans den 24-Stunden-Klassiker.

Der schnellste Rundenschnitt

47.376.000 Minuten – ungefähr so lange dauern 90 Jahre. Würde man die neun Zehntel eines Jahr­hunderts, die der Nürburgring nun besteht, auf eine einzige Runde runterbrechen, sie würde 6 Minuten, 11 Sekunden und 13 Hundertstel dauern. Exakt so lange benötigt Stefan Bellof am 28. Mai 1983 im Training zum letzten 1.000-Kilometer-Rennen am alten Nürburgring. Die Runde ist wegen der Bauarbeiten am neuen Ring nun verkürzt, die Fahrer starten von der Döttinger Höhe. Statt 22,832 Kilometer misst eine Runde 20,832 Kilometer. Nie vor diesem Tag und nie danach umrundet ein Rennfahrer diese Strecke mit einem Schnitt von mehr als 200 Stundenkilometern. Kein anderer wagt es, in so einem hart abgestimmten Boliden zu fahren, der einen so schmalen Grenzbereich hat. Selbst für das Wunderkind manchmal zu schmal: Tags darauf bekommt sein 650-PS-Porsche 956 am Pflanzgarten Unterluft. Er steigt auf, dreht eine Schraube und knallt mit dem Heck in die Begrenzung. Bellof bleibt unverletzt, der Sieg geht an die Marken-Rivalen bei Porsche: an Jochen Mass und Jacky Ickx.

Knappe Sache

Das 24-Stunden-Rennen vom Nürburgring 1993 geht in zweifacher Hinsicht in die Geschichte ein: zum einen, weil im Vorprogramm zum letzten Mal die DTM auf der Nordschleife ihre Runden fährt, zum anderen, weil der Kampf um den Sieg so knapp ist wie nie zuvor. Denn die Sieger Franz Konrad, Frank Katthöfer, Örnulf Wirdheim und Antonio de Azevedo im 911 Carrera RSR 3.8 des Teams Konrad Motorsport haben auf der Ziellinie nur 53,2 Sekunden Vorsprung. Porsche jubelt über einen Vierfach-Erfolg – und das bei den Feierlichkeiten zum 30. Geburtstag des 911. Erst 2015 wird es ein noch knapperes Ergebnis an der Spitze geben.

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