Hinter der Boxengasse des Fuji International Speedway sind die letzten Container ausgepackt. Die Aufbaucrews der Teams sind mit ihrer Arbeit fertig. Fünf Tage vor dem Auftritt der Langstrecken-Weltmeisterschaft WEC in Japan ist das Fahrerlager der Rennstrecke am Mount Fuji so aufgeräumt, als habe eine schwäbische Hausfrau die Kehrwoche erledigt. Jetzt beginnt die Arbeit von Ina Fabry. Ihre Aufgabe ist es sicherzustellen, dass Fahrer und Ingenieure nach ihrem Eintreffen all das vorfinden, was sie für ihre Arbeit benötigen. In Weissach hat sie für das Porsche Team Manthey, das auch in Fuji mit zwei 911 RSR am Start ist, den Einsatzplan erstellt, hat für 50 Personen Flüge, Hotelzimmer und Mietwagen gebucht.

Jetzt kümmert sie sich darum, dass an den Arbeitsplätzen der Ingenieure die Internetanschlüsse funktionieren, genügend Monitore bereit stehen und das Catering bestellt ist. „Wenn das Team an der Rennstrecke eintrifft, muss alles funktionieren“, sagt sie. „Jeder muss sich sofort an die Arbeit machen können.“

Eine ihrer Hauptaufgaben: die Betreuung der Porsche-GT-Werksfahrer

Ina Fabry ist Fahrer- und Teamkoordinatorin in der im Frühjahr 2014 bei Porsche Motorsport neu gegründeten Abteilung für Race Operations an der Strecke. Die Stellenbezeichnung spiegelt die Vielfalt ihrer täglichen Aufgaben nur bedingt wider, klingt aber, wie sie mit einem Schmunzeln ergänzt, „besser als Mädchen für alles“.

Eine ihrer Hauptaufgaben in Weissach ist die Betreuung der GT-Werksfahrer. Ganz egal, ob sie für Tests gebraucht werden oder für Filmaufnahmen, ob sie bei Konzernveranstaltungen auftreten sollen oder bei Presseterminen – alle internen und externen Anfragen landen auf ihrem Schreibtisch. Sie prüft dann, ob die Fahrer an den gewünschten Tagen verfügbar sind und entscheidet mit, wer wo eingesetzt wird. „Ich weiß am besten, wo sie gerade sind“, sagt sie. „Es macht ja zum Beispiel keinen Sinn, für eine Pressekonferenz in Paris Nick Tandy aus England einfliegen zu lassen, wenn Patrick Pilet ganz in der Nähe von Paris wohnt.“

Sie achtet aber nicht nur darauf, dass die Fahrer keine unnötig langen Reisewege haben. Auch die Kosten hat sie stets im Blick. Und sie sorgt dafür, dass die Termine gleichmäßig verteilt werden, „dass also jeder Fahrer mal dran kommt.“ Die Faszination Porsche lernte Ina Fabry kennen, als sie im Sommer 2007 ein Praktikum bei Porsche Motorsport in der Abteilung Business Relations absolvierte. Mit dem Motorsportvirus hatte sie sich dagegen schon als Kind infiziert. Sie stammt aus einer motorsportbegeisterten Familie und verbrachte die Wochenenden meistens mit Eltern und Geschwistern an irgendeiner Rennstrecke.

Marc Lieb und Timo Bernhard zur selben Zeit im Kart unterwegs

Doch immer nur zuzuschauen war ihr schon bald nicht mehr interessant genug. Also begann sie, Kartrennen zu fahren. Dabei stellte sie sich so gut an, dass sie in die Formelklassen aufstieg und es 2004 schließlich bis in die Formel 3 geschafft hat. „Es war eine tolle Zeit. Lustigerweise sind einige der Fahrer, die ich jetzt betreue, damals gegen mich angetreten“, sagt sie. Gegen Richard Lietz ist sie in der Formel ADAC gefahren. Marc Lieb und Timo Bernhard waren zur selben Zeit wie sie im Kart unterwegs, wenn auch  in einer anderen Altersklasse.

Als sie im April 2012 bei Porsche Motorsport die Fahrer- und Einsatzplanung übernahm, musste sie sich nicht lange einarbeiten. Bereits während ihres Sportmanagement-Studiums an der Uni Tübingen hatte sie 2008/2009 als Werkstudentin ihre Vorgängerin in diesem Job unterstützt. Was ihr besonders viel Spaß macht? „Man hat sehr viel mit Menschen zu tun, mit den unterschiedlichsten Charakteren, das macht es sehr interessant.“ Nie sei es langweilig. Ständig lerne sie Neues kennen. „Ich finde es toll, die vielen verschiedenen Rennstrecken überall auf der Welt zu besuchen und mich ständig auf neue Länder und neue Kulturen einstellen zu müssen.“

Frauen haben ihren festen Platz im Motorsport

Ihre Lieblingsstrecke liegt in Argentinien, in der imposanten Landschaft von San Luis. „Steht aber leider nicht im Kalender der WEC“, ergänzt Fabry. Von den Rennstrecken, auf denen Porsche in der Sportwagen-Weltmeisterschaft antritt, gefällt ihr der Circuit of The Americas in Austin im US-Bundesstaat Texas am besten.

Um eine Antwort ist Ina Fabry selten verlegen. Nur bei der Frage nach ihren Hobbies kommt sie etwas ins Grübeln. „Mein größtes Hobby ist mein Beruf“, sagt sie schließlich. „Für andere Dinge bleibt nicht viel Zeit.“ Lesen fällt ihr noch ein, vorzugsweise Krimis oder Fantasy-Romane. Wenn die Geschichten spannend sind, liegt die 31-Jährige auch schon mal ein ganzes freies Wochenende daheim auf der Couch und liest. Außerdem engagiert sie sich in der vom Automobilsport-Weltverband FIA vor fünf Jahren ins Leben gerufenen „Woman & Motor Sport Commission“, die vom einstigen Rallye-Star Michèle Mouton geleitet wird. Die Kommission hat die Aufgabe, Frauen im Motorsport zu unterstützen, auch als Funktionäre und Offizielle. Vor allem aber fördert sie junge Rennfahrerinnen und begleitet diese bei ihrem Aufstieg.

Das ist Ina Fabry ein wichtiges Anliegen. „Früher kannte man Frauen im Motorsport doch nur aus der Formel 1, als sie in der Startaufstellung die Nummerntafeln halten durften. Dazu mussten sie nichts können, nur gut aussehen“, sagt sie. Das hat sich zum Glück geändert. „Heute haben Frauen ihren festen Platz im Motorsport. Und sie beweisen jeden Tag aufs Neue, dass sie gut sind.“ Sie selbst ist, wenn auch in einer etwas anderen Rolle, dafür ein gutes Beispiel.

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